Seit dieser Woche
sind Männer auch nicht mehr das, was sie mal waren. Blicken
misstrauisch in die Welt, wirken abwesend, unkonzentriert. SInd
noch schlechtere Zuhörer, als sie es ohnehin schon waren.
Und
das alles nur wegen eines Artikels in dieser an sich lobenswerten
Zeitung. Zwei Drittel aller jungen Frauen zwischen 15 und 24
Jahren, war vergangenen Sonntag in diesem Blatt zu lesen, schrieben
Tagebuch. Selbst im gesetzteren Alter könnten manche nicht die
Finger davon lassen.
Nicht wenige Männer,
die das lasen, haben sich hilfesuchend an die Telefonseelsorge
unserer Redaktion gewandt. Muss das sein?, haben sie gefragt.
Es gibt doch so hübsche Dinge, mit denen Frauen sich die Zeit
vertreiben können. Schuhe kaufen, Sie der Freundin vorführen.
Gemeinsam zum Umtauschen. Hinterher ein Gläschen Prosecco. Prösterchen.

Um
uns die Tragweite des Problems vor Augen zu führen, bedarf es
höherer Mathematik. Zwei Drittel aller jungen Frauen heisst
nichts anderes als zwei von drei Frauen, 20 von 30 Frauen, 200
von 300 Frauen. Da kommt, je nach Lebensstil, ganz schön was
zusammen.
Es ist ja nicht so, dass
man als Mann etwas zu verbergen hätte und wegen der potenziellen
Veröffentlichung einzelner Passagen auf Facebook nicht mehr
ruhig schlafen könnte. Aber man weiss ja, wie das läuft. Wie
schnell ist etwas hingeschrieben, aus der Laune eines Augenblicks
heraus. Hinterher stehen hässliche Dinge da, die man so vielleicht
gar nicht gemeint hat: "Elendiger Chauvi"; "Schneidet
sich die Fussnägel am Küchentisch"; "Das Sackgesicht
hat keinen Schimmer vom Körper einer Frau"; "Einfach
abgehauen! Dreckschwein!"
Was
heisst das überhaupt, "Sackgesicht", "abgehauen",
Dreckschwein", "Küchentisch"? Mit etwas Distanz
hätte frau es vielleicht ganz anders formuliert. "Wie grossherzig
von ihm, mir die Möglichkeit eröffnet zu haben, dass ich mich
ohne ihn ganz anders entfalten konnte." Klingt gleich ganz
anders.
Natürlich, es ist das gute
Recht einer jeden Frau, Tagebuch zu führen. Aber muss das unbedingt
schriftlich sein? Wo doch jeder weiss, das es - vom Mann abgesehen
- kein launischeres oder mehr von Hormonen fremdbestimmtes Wesen
gibt als das Weib. Sind Tagebucheinträge datenschutzrechtlich
okay? Müssen sie nicht von den handelnden Personen autorisiert
werden? Oft hört man, es sei heilsam, sich etwas von der Seele
zu schreiben. Leben wir im Mittelalter? Dafür gibt es Medikamente!

Natürlich
verfassen auch Männer Tagebücher, aber nur jeder fünfte. Und
sie machen es anders, wie das deutsch-österreichische Satirikerduo
Stermann & Grissemann in seinem Standardwerk "Speichelfäden
in der Buttermilch" belegt. Unter "Las Vegas, 5.8.97"
findet sich folgender Eintrag: "Stermann nervt mit seinen
sexuellen Vorlieben. Er ist ständig auf der Suche nach Frauen,
die aussehen wie Max Schautzer, also Halbglatze, Hut und keine
Ausstrahlung. Und das Allerschlimmste: Er findet ständig welche."
Klingt
verbindlicher, gelassener. Es geht auch ohne Sackgesicht.
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