Keine Ahnung, welcher Generation
Sie angehören. Meiner Generation wurde von Kinderbeinen an eingebläut,
dass ihr sehnlichster Berufswunsch Lokführer oder Astronaut
zu sein hat. Was ein richtiger Junge sein will, hiess es in
den sechziger und siebziger Jahren, der will Lokführer oder
Astronaut werden. Wäre ich bei einer Strassenumfrage gefragt
worden, was ich werden will, ich hätte ohne zu zögern "Lokführer
oder Astronaut" geantwortet. Umfragen kann man eben nicht
trauen.
Mir ist kein Fall bekannt,
dass aus meinem persönlichen Umfeld einer Lokführer oder Astronaut
wurde. Entweder waren das alles Versager, die von der Bahn und
der Nasa eine Abfuhr erhielten. Oder sie haben allesamt gelogen
und wollten in Wahrheit was ganz anderes machen, beispielsweise
die Nachfolge von Herrn Kaiser bei der Hamburg-Mannheimer antreten.
Hätte
ich damals ehrlich geantwortet, ich hätte als Traumberuf Superheld
angeben müssen. Ein Superheldendasein erschien und erscheint
mir erstrebenswert - auch wenn sich das Aufgabengebiet im Lauf
der Jahre gewandelt haben mag. Wer heute in der freien Welt
als Superheld gefeiert werden will, sollte sich nicht aufs Taliban-Klatschen
beschränken, sondern auch betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse
mitbringen, um die nächste Bankenkrise zu parieren. Ist normal.
An einen Investmentbanker werden auch andere Anforderungen gestellt
als vor 150 Jahren noch.

Ich
steh' mehr auf die altbackene Variante des Superhelden. Zur
Tarnung als Journalist einem bürgerlichen Beruf nachgehen. In
der Freizeit abgedrehte Klamotten tragen, durch die Lüfte düsen
und die Welt retten. Als Supermann kommt man rum wie früher
Genschman. Man lernt interessante Leute kennen, und wenn's zur
Sache geht, müssen andere den Dreck wegräumen.
Solchermassen
aufgeklärt dürfte es Sie nicht wundern, dass mich diese Woche
zwei Meldungen bewegt haben. Eine handelt von einem 23-jährigen
Mann, der sich Phoenix Jones nennt. Abends taucht der Kerl in
einen nachtschwarzen Anzug, zieht eine Maske über und geht in
der US-Metropole Seattle auf Verbrecherjagd. Offenbar ist der
Superheld im Kampf gegen das Böse nicht zimperlich. Weil er
mit Pfefferspray auf Menschen losgegangen war, wurde er neulich
von der Polizei aus dem Verkehr gezogen.
Superheld
Numero zwo arbeitet ohne Pseudonym. Er heisst Hernert Chaves
und kommt aus dem Land, wo das Pefferspray wächst. Der Filippino
liess sich ein kantiges Kinn modellieren, die Lippen aufspritzen,
den Oberkörper aufpolstern und die Haut bleichen. Chaves hat
sich in den vergangenen 16 Jahren so oft unters Messer von Schönheitschirurgen
begeben, dass er Superman wie aus dem Gesicht geschnitten ähnelt.
Ausser, dass er den Aufschneider Mang vom Bodensee auf eine
weitere Erwerbsquelle bringt, ist der Beitrag von Chaves zum
Wohl der Menschheit eher klein. Er tut nur so, als sei er super,
in Wahrheit aber ist er nicht ganz normal. Beide Fälle lehren
uns: Nicht jeder Held hält, was er verspricht.
So,
liebe Leser, muss los. Rette sich, wer kann.
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