Herbst: Vogelschwärme ziehen
nach Griechenland, wo sie für ihr angestammtes Winterquartier
unversehens einen Übernachtungsgutschein kaufen müssen. Aus
dem Nebel aufsteigende Schwermut lässt selbst vorbeihastende
Kamelhaarmäntel Gedichte erfinden und Frauen eimerweise Make-up
in der Trendfarbe Grau kaufen. Kinder malen Krisenszenarien
auf die beschlagenen Scheiben der elterlichen Geländewagen.
Wer nicht aufpasst, tritt in eine Schuldenfalle oder rutscht
auf achtlos weggeworfenen Euro-Noten aus.
Zu
den unvermeidbaren Begleitern des Herbstes zählt die Herbstmode.
Was trägt man in der Krise? Die Designer bevorzugen ein verzweifeltes
Braun, bieten aber auch Praktisches: Stoffe, die ein unabsichtiges
Versenden von E-Mails oder SMS-Nachrichten verhindern. Wer einen
Konkurrenten beleidigt, seiner Ex-Frau die Pest an den Hals
wünscht oder sinnlose Mitteilungen via Facebook oder Twitter
absondert, muss sich keine Sorgen machen. Alle in der ersten
Wut abgefeuerten elektronischen Nachrichten verfangen sich im
Schlingengewebe und flitzen drei bis vierhundertmal im Kreis
herum. Abends ist der Zorn verraucht, man schüttelt alles aus
und kehrt die angesammelten Beleidigungen zusammen.

Zitronengelbe
Regenmäntel mit Taschen, die bis zu drei Billionen Euro fassen,
sind genauso im Trend wie zweckmässige Burn-out-Overalls. Daneben
setzt die Szene auf die klassischen Stilelemente des Bankrotteurs:
Aus Lehmann-Blech gefräste Wintermäntel, die das Meer der Tränen
aus den Handelszentralen der Finanzmärkte geordnet ableiten.
Ein Strick als Krawatte darf nicht fehlen. Wer sich dafür entscheidet,
sollte immer mit grossem Fuss (Auerochsen-Schnürstiefel) Die
Hosengürtel haben nur noch ein Loch und lassen sich deshalb
nicht mehr enger schnallen.
Dagegen
ist die Politik modisch orientierungslos. Viele Liberale lassen
die Hemden jetzt oben offen und nähen Schulterpolster mit fünf
Pfund Daueroptimismus und einem Rest freiheitlichen Gedankenguts
ein. Der Kaschmiranteil bleibt unter der 5-Prozent-Schwelle.
Konserative binden ihre Krawatten, als wäre es das letzte Mal.
Grüne experimentieren mit Augenklappen und Holzbein, um sich
für jüngere Wählerschichten interessanter zu machen.
Foklore
wird grossgeschrieben: Das aufstrebende Label Scotch und Narco
bieter mexikanische Sweater mit Kapuzen an. die stabilen Seitenhalt
bis Kaliber 13.2 bieten und je nach Drogenkartell bedruckt werden
können. Deutsche Truthähne tragen Lederhose und Dirndl, bevor
sie sich in den Bierzelten, den Schlachtstätten des guten Geschmacks,
die Hälse zuschütten. Literaturstudenten in Schwarz hängen kopfüber
an den Strassenlaternen, weil H & M gerade den Fledermaustrend
ausgerufen hat. Die Müllabfuhr bleibt orange.
Das
wären, kurz zusammengefasst, die wichtigsten Herbstrends. Wie?
Sie brauchen jetzt noch einen klaren Anziehtipp? Dann nehmen
Sie den Nude-Style. Hier gehen Haut und Haar Ton in Ton ineinander
über und anschliessend shoppen - auf Kredit natürlich. Man hat
nichts, zeigt aber alles. Allen anderen Trends zum Trotz ist
das der Look des Herbstes.
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