Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (02. Oktober 2011)
 
   Der Vater des Wunsches
 

   Dieser Text ist Edmund Stoiber gewidmet. Vergangenen Mittwoch, eigentlich die ganze vergangene Woche, wurde sein 70. Geburtstag gefeiert. Ist halt ein ganz Grosser gewesen, der Herr Stoiber. Hat in Bayern als erster deutscher Regierungschef der Neuzeit einen Landeshaushalt ohne Schulden vorgelegt - und das zu einer Zeit, als alle noch glaubten, Staaten könnten nicht pleitegehen. Wurde fast Kanzler. Stolperte dann über eine Dame, über die er Nachforschungen anstellen liess. Die Dame entpuppte sich später als ziemlich seltsame Person. Tragisch, das alles.

   Stoiber war ein Mann, der zu viel wusste. Er dachte, er müsse alle Akten, die ihm seine Beamten auf den Tisch legen, auch tatsächlich lesen. Das war ein Fehler. Wenn er was erklären musste, flatterten die Vermerke und Vorlagen in seinem Kopf wild durcheinander. Dann kamen aus seinem Mund Sätze heraus, übder die man, äh, noch heute lachen kann. Sätze wie "Der Vater des Wunsches ist hier Gedankengang".

   Apropos Vater: Nächste Woche erscheint ein neues Vaterbuch. Früher war Väterliteratur, wenn sich Söhne schriftstellerisch an ihren Vätern und deren Rolle im Dritten Reich abarbeiteten. Heute schreiben Väter übers Vatersein, also über ihre kleinen Söhne und Töchter, die sich aber noch nicht so gut ausdrücken können, weshalb die Väter eigentlich meist über sich selbst schreiben.



   Das neue Vaterbuch ist von Falk Osterloh, einem 35-jährigen Berliner. Er entstammt einer ganz anderen Generation als Edmund Stoiber. Während Stoiber die Nullverschuldung anstrebte, ist eines der Lebensziele von Osterloh, "in meinem Leben einmal 10 000 verschiedene Biere getrunken zu haben", wie er auf seiner Homepage verrät.

   Trotz dieses anspruchsvollem Programms hat es Osterloh nebenbei geschafft, in den letzten drei Jahren gleich zwei Jungen zu zeugen und sich auch noch um sie zu kümmern. Das blieb nicht ohne Folgen:
"Ich betrachtete nächte- und tagelang Babyaugen, Babynase, Babymund, würgte nach Babynahrung, strahlte nach Babyverdauung, über Familien- und Menschwerdung eine Geschichte zu schreiben."

   Soweit Osterloh. Sein Roman heisst übrigens "Die Windel fällt immer auf die Butterseite". Am 27. Oktober wird er in Berlin an den Schauplätzen seines Buches Szenen daraus lesen. Schauplätze sind unter anderem ein Kindercafé, ein Kindermuseum sowie ein Laden, der Mode für Schwangere verkauft.

   Laut Osterloh steckt die Väterliteratur noch in den Kinderschuhen, vielleicht liegt sie auch erst in den Windeln. Noch hat nicht jeder Vater seine Erlebnisse aufgeschrieben. Allein in unserer Redaktion sind in letzter Zeit drei Kollegen Vater geworden. In den Vätermonaten werden sie neben ihrem Kind sitzen und sich Notizen machen. Es kommt also noch einiges an windelvoller Weltliteratur auf den Leser zu.

   Man kann Edmund Stoiber vieles vorwerfen. Dass er politisch zu weit rechts war oder dass er sich zu wenig um seine drei Kinder gekümmert hat. Aber er hat immerhin kein Vaterbuch geschrieben. Danke, Edmund Stoiber. Danke.

 

 

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