Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (25. September 2011)
 
   Jeder kriegt sein Melkfett ab
 

   Hinter uns liegt eine Woche, in der sich die deutsche Melkfettindustrie eine goldene Nase verdient hat. Melkfett freut nicht nur das liebe Vieh. Melkfett haben die Malteser allen Papst-Pilgern ans Herz gelegt. Mit Melkfett am Vorabend die Füsse einreiben - und es pilgert sich wie geschmiert.

   Als die Männer in unserer Redaktion dies lasen, fuhren sie ihre Computer herunter bis in den Keller, sagten ihre Termine im Nagelstudio ab und begannen, sich gegenseitig die Füsse mit Melkfett zu massieren. Ein Töpfchen Melkfett steht immer in der Redaktion, da ein hoher Promillesatz mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt und unter Sitzproblemen leidet.

   Es mag Mittwochnachmittag gewesen sein, als ein brennender Doornkaat über das Pressehaus hinwegfegte. Die Redakteure zwängten sich in rote Halbschuhe, luden ein Fass Malteser Weissbier auf einen Leiterwagen und machten sich Richtung Freiburg im Breisgau auf den Weg. Besonders der Leiterwagen, gezogen von einem aufrechten Ressortleiter, könnte ihnen helfen, sie heute inmitten der Menschenmassen im Badischen zu identifizieren.

   Auf ihrer Wanderung, eine Mischung aus Vatertagsausflug und Karfreitagsprozession, haben sie sich teils recht freireligiösen Kirchengesängen ("Oiner geht no") Mut zugesprochen und über Gott und die Welt debattiert. So sind sie auf der Bodenseeautobahn zwischen Rottweil und Villingen-Schwenningen der Frage nachgegangen, wie viel Liter Malteser Weissbier ein mitteleuropäischer Wallfahrer auf 100 Kilometern braucht. Das sind existenzielle Fragen, auf die auch ein modernes Navigationsgerät keine Antwort weiss.



   Solchermassen sensibilisiert begannen unsere Pilger - stets die Verkehrsnachrichten von Radio Vatikan im Ohr - sich kurz vor der Anschlussstelle Donaueschingen darüber zu wundern, warum im Zusammenhang mit Papstbesuchen immer von einer Visite die Rede ist. Als ob der Heilige Vater einen Krankenbesuch macht. Bei Titisee-Neustadt sahen sie in das Licht eines 40-Tonners, und plötzlich ward ihnen klar, dass dem auch so ist. Der Heilige Vater besucht ein hohes Irrenhaus, das darüber streitet, ob ein deutscher Papst im deutschen Bundestag reden darf. Erst als es dem Papst gelingt, die Anwesenden mit einem Scherz zum Lachen zu bringen, kapiert der letzte Hinterbänkler, dass diese Veranstaltung kaum in eine Kirche hätte über die Bühne gehen können.

   Den Rest des Weges legen unsere Männer schweigend zurück. Einzig der TV-Redakteur versuchte krampfhaft mit Sprüchen aus der Show des ehemaligen katholischen Pfadfinders Harald Schmidt ("Berlin ist arm und sexy. Beim Vatikan ist es genau umgekehrt."), ein Gespräch in Gang zu bringen. Ihm fehlt die Antenne für den rechten Glauben.

   Wir haben lang überlegt, ob wie Sie, liebe Leser, auf diese doch intime Reise mitnehmen sollen. Wir haben es aus einem Grund getan: Sollten Ihnen in Ihrer Sonntagszeitung etwas wie abgestandenes Bier aufstossen, können Sie davon ausgehen, dass unsere Pilger nichts dafür können. Die Schuld trifft das in der Redaktion verbliebene Weibsvolk.

 

 

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