20 Jahre sind vergangen,
seit "Ötzi", dieser Typ mit den markanten Zügen, dem
Siebentage-Zottelbart, Lendenschurz und 200-Liter-Fjäll-Räven-Rucksack,
in Tirol ertmals von zwei sichtlich erregten RTL-Almbäuerinnen
gesichtet wurde. Seitdem ranken sich zahllose Mythen um die
Work-Life-Balance dieser Feuchtmumie. Das Interesse an diesem
Outdoor-Gott ist ungebrochen, seine Kleidung und Ausrüstung
wurde millionenfach kopiert. Wer im Raubtierkapitalismus überleben
will, geht nicht ohne rhetorische Beilklinge und einem Köcher
voller Giftpfeile aus dem Haus. Überall lauern wild gewordene
Daxe, testosterongestörte Börsenbullen und katastrophierte Lemminge.
Und gegen den Verlust finanzieller Bodenhaftung inmitten niederstürzender
Aktienlawinen helfen nur noch Trekkingsandalen und Tchibo.
Investigative
Frauenzeitschriften wie "Zeit" und "Landlust"
versuchen indes seit langem Ötzis DNA mit dem Pürierstab zu
sequenzieren, um das Rätsel seiner elastischen, trotz ihrher
5300 Jahren ungemein zarten Haut zu lüften. Experten erklären
sich seine Naturschönheit, die einen an das verwegene Erscheinungsbild
des gefeierten Buchautors Thomas Anders ("100 Promille
Anders") erinnert, mit der in der Jungsteinzeit häufig
eingesetzten reichhaltigen Tagescreme aus Knoblauchrauken-Extrakt
und Steinbockdung (mit Selbstbräuner). Damit die grobfaserige
Bio-Organic-Pampe überhaupt einziehen konnte, musste man aber
schon um vier Uhr morgens aufstehen und mit dem beidhändigen
Einmassieren und Walken beginnen. Verstopfte Poren öffnet man,
indem man seine ebenfalls stark behaarte Lebensgefährtin um
eine rhytmische Verabreichung von Backpfeifen ("Ötztaler
Ohrenschmaus") bat. Ein perfekter Work-out, weil es blitzartig
wach macht und gleichzeitig einem die riesigen Schmeissfliegenschwärme
vom Leibe hält. Für ein gründliches Ganzkörper-Waxing bleibt
allerdings oft keine Zeit mehr.
Damals
wie heute litt ein Mann für die Schönheit. Gerade für einen
Jäger im mittleren Management war es seinerzeit wichtig, täglich
frisch auszusehen, auch bei auszehrenden Meetings im ewigen
Eis stets seinen Mann zu stehen. Und auch bei beim spätabendlichen
Get-together, bei einer Rindenmulchzigarre im Kreise anderer
High Potentials und aggressiver Paarhufer, brauchte man eine
perfekte Ausstrahlung.

Doch
just zum Jahrestag der Ötzi-Entdeckung häufen sich die Hinweise,
dass die lederhäutige Stilikone gar nicht in einem Tiroler Museum
haust, sondern mitten unter uns weilt, unter falscher Identitität.
Als Tarnung verwendet er einen unverständlichen alpenländischen
Dialekt. Manche vermuten Ötzi unter dem Gesichtspullover von
Reinhold Messner. Einige vermuten ihn hinter der Maske des untergetauchten
libyschen Diktators, und wiederum andere glauben, dass das in
in die Politik zurückgekehrte "Ur-Vieh der CSU" (BILD)
Peter Gauweiler der wahre Ötzi sei.
Niemand
weiss Genaues. Aber eines ist sicher: Ötzi war ein Mann wie
du und ich. Er ging täglich in den Berg. Schmierte. Jagte. Kämpfte.
Er versuchte sein Bestes. Aber am Ende war es nicht gut genug.
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