Wenn man in die Jahre
kommt und es bis zur Rente nur noch schlappe 13 Jährchen sind,
ist es wichtig, seine Fingerfertigkeit zu üben. Das ist der
Grund, weshalb ich vor kurzem damit begonnen habe, ein Modell
vom Stuttgarter Hauptbahnhof zu schnitzen. Zuerst habe ich mir
überlegt, den Bonatz-Bau im Massstab 1:1 mit Streichhölzern
nachzubauen, aber das erschien mir zu wenig kreativ. Inzwischen
arbeite ich an einer Nachbildung des zukünftigen Hauptbahnhofs.
Da der oberirdisch etwas kleiner ausfällt als der alte Bahnhof,
komme ich mit nur einem Streichholz aus.
Eben
wollte ich mal wieder der Schalterhalle zuwenden, da ereilte
mich aus Sachsen eine Nachricht, die mir das Schnitzmesser aus
der Hand fallen liess. In Leipzig ging in dieser Woche die Europameisterschaft
der Gemüseschnitzer über die Bühne. Was da mit Messers Schneide
geschaffen wurde, liess mich als armseligen Schnitzer dastehen.
Wahre Künstler waren hier am Werk, die aus Rettichen Rosen zauberten,
aus Karotten einen Flamingo und aus einer Melone ein ganzes
Blumenbouquet.
Warum, werden Sie sich
fragen, greifen diese Esstheten nicht gleich zu einer Rose,
wenn ihnen nach einer Rose ist, sondern gehen den Umweg über
den Rettich? Beissen Sie in eine Rose aus Rose, und Sie schmecken
den Unterschied. Selbst wir Älteren, die wir mit der Maxime
aufgewachsen sind, dass man mit Essen nicht spielen soll, können
uns diesem Fest der Augen nicht entziehen. Nur Veganern mag
es bei dem Anblick den Magen umdrehen.
Der
Deutsche Bundestag hat die Europameisterschaft der Gemüseschnitzer
auf sein Art unterstützt und mit dem Fallball an einem Rettungsschirm
für den Euro herumgeschnitzt.
Solche
Schnitzkunst vor Augen, habe ich mein Bahnhofsprojekt an den
Nagel gehängt und das getan, was ich schon immer tue, wenn mich
Frust umkommt. Ich bin in die Küche gegangen und habe vor Wut
gekocht. Mein Gott, was habe ich gezaubert! Ich habe einen Rettichauflauf
kreiert, den man auch für angebrannten Rosenkohl hätte halten
können.
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