Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (21. August 2011)
 
   Kulinarische Feuchtgebiete
 

   Riechen Sie ihn auch? Den Sommer? Er ist da. Endlich. Und mit ihm all die wunderbaren Frittierdüfte und Röstaromen, die wir schon so lange vermisst haben. Überall brutzelt und schmatzt es. Fettspritzer gross wie gesottene Hammelhoden zischen durch unsere Waschküchenlüfte, Cevapcici, dick und glänzend wie Mastdackel, schauen lustig aus gierigen Schlünden. Deutschen Hinterhöfen entsteigt ein appetitanregender Nebel aus dampfenden Flip-Flops, schrundigen Fussballen und den Untiefen eines nicht endenden narkotisierenden Urlaubsgeschwafels. Glücklich ist, wer vergisst. Und über allem sanft baumelnde Lampions vor dem nächsten existenziellen Sturmtief. Herrlich, das.



   Doch wer will das Ewiggleiche auftischen? Damit die kommende Party auch wirklich den Nachbarbalkon zum Rülpsen bringt, haben uns prominente Küchenprofis ihre besten Sommerrezepte verraten. Da wäre die für ihre schwäbisch-berlinischen Hausfrauenrezepte bekannte Meisterwirtin Angela Merkel, die ausgerechnet in einem verschwenderischen Pariser Gourmettempel ("Chez Nicola") mit ihrem französischen Souscheflein ein revolutionäres Sparmenü für unersättliche europäische Gaumen kreiert hat: Hauchzart angebratene Bankenkröten, übergossen mit einer salzig-bitteren Reduktion aus Essig, Tränen und Steuerzahlerschweiss ("Sauce Malaise"). Nicht kauen, einfach schlucken und zucken, heisst die neue 3-Punkte-Degustationsregel. Wer will, kann geraspelte Fingernägel darüberstreuen oder seinen eigenen schmerzenden Darmwindungen ein kleines Bach'sches Schicksalsmotiv heraushören. Der perfekte Fatburner für die anstehende Rezzession!

   Eine völlig andere Herdphilosophie propagiert hingegen die Schürzenjägerin der deutschen Einbauküche, Charlotte Roche. Statt feministischer Trennkost ("Alice-Diät") empfiehlt sie angehenden Hausfrauen für ihre kommenden Kochorgien ein bukolisches, analfixiertes Rezept aus dem 19. Jahrhundert. Schon beim Zuhören läuft einem das Waser im Schoss zusammen! Als Vorspiel gibt es eine glibberige Buchstabensuppe, gefolgt vom Pièce de rèsistance, einer knusprig-prosarischen Schlachtplatte aus gemeinen Gockeln, nicht mehr ganz jungen Gänsebrüsten, schrumpligen Backpflaumen und erigierten Bratwürsten (von lokalen Erzeugern). Das wird alles heiss serviert, sehr heiss ... Schliesslich runden multiple mediale Orgasmen und reichlich feuilletonistisch-rezenter Käse die herzhafte Völlerei ab. Ein sündiger Hochgenuss für alle kleingeistigen Schnellbräter und verhuschten Küchenpsychologinnen.



   Wer sich aber nicht so viel Mühe machen und das Schmurgeln und Kokeln den wahren Könern überlassen will, vertraut sich dem Catering-Service der FDP an, und zwar direkt in Berlin. Rössler-Express, ein Geheimtipp. Leichtverdauliches aus Fernost, garniert mit einigen fein formulierten Dips für zwischendurch. Genau das Richtige für Sommerlöcher und andere koalitionäre Verdauungsschwierigkeiten. Der talentierte Geschäftsführer verspricht prompte Lieferung, das aber schon seit 100 Tagen. Wir wissen nicht, warum. Deswegen am besten gleich anrufen und das Bier kalt stellen. Der Sommer dauert ja nicht ewig. Prost Mahlzeit!

 

 

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