Sommer in Berlin: Die Strassenschluchten
dösen vor sich hin. In den Gründerzeitvierteln blickt man aus
der Beletage direkt auf die alpinen Hinterlassenschaften zahlloser
Hunde. Die Politik pausiert. Im Parlament liegen Notizzettel
- stumme Zeugen vergangener Redeschlachten: "Grünes Miststück
... verlogener Sauhaufen ... wenn ich gehe, geht ihr mit! ...
SPD-Kollege sieht schlecht aus. Alkohol? ... Heute Intrigenabend
beim Italiener ... CSU-Populist neulich drei Sekunden länger
im Fensehen ..." Im Hinterhof werden die Dienstwagen desinfiziert.
Aromaspray tötet die Melange aus Angstschweiss und Kognak.
Doch
wo sind die Akteure? Im Keller eines bayerischen Anwesens spielt
der kraftstrotzende CSU-Chef mit der sagenumwobenen Modelleisenbahn,
für die grosse Teile des Pfaffenwinkels unterkellert wurden.
Züge rasen aufeinander zu. Funken sprühen, es riecht nach verschmorten
Kabeln. Wäre nur alles so einfach. Absolute Kontrolle. Weichen
stellen, Konkurrenten ausradieren, Haltezeiten missachten. Nie
wieder ans Tageslicht kommen. 200 Kilometer weiter nordwestlich
betrachtet der neu gewählte grüne Ministerpräsident befriedigt
die Ausschachtungen unter dem Staatsministerium. Bald ist es
so weit. Hunderttausende Amphibien werden sich aus allen Landesteilen
auf den Weg machen. "Hier baut das Land für sie den grössten
Krötentunnel Europas", schreit ein Plakat. Der grauhaarige
Landesvater zapft einen Grünalgenkaffee aus dem Automaten und
setzt behutsam eine verirrte Spinne in den Rasen.

Krötentunnel?
Dem Minister einer traditionsreichen Fünfprozentpartei geht
es um Wichtigeres. Jahrelang hat er alle Finessen und Finten
ausgelotet, keine Debatte gescheut, in geheimen Zirkeln für
seine Idee geworben, die Öffentlichkeit sensibilisiert. Jetzt
ist es so weit. "Noch zwei, drei Umdrehungen, dann habe
ich den schönsten Krawattenknoten vollendet, den Menschenhand
jemals geschlungen hat." Niemand hat an das Gelingen dieses
Projektes geglaubt. Überkreuz, links, rechts - das kann jeder
Hartz-IV-Empfänger. Aber diese barocken Verwicklungen, die Akkuratesse
bei gleichzeitiger Bewegungsfreiheit des Adamsapfels. Der Minister
hat Tränen in den AUgen. Sein junger Parteifreund und Wirtschaftsminister
betrachtet derweil grüblerisch eine Parade von Schnapsgläsern
vor sich. Damit müsste es klappen, denkt er. Ein neuer Extrakt
aus Schildkrötenblut und Ginseng. "Auch der schmächtigste
Reisegelehrte kann damit saufen wie ein Wasserbüffel",
verspricht die Packung in gebrochenem Chinesisch und warnt vor
der Abgabe an Minderjährige. Endlich mithalten mit diesen arroganten
Gewohnheitstrinkern der Konkurrenzparteien. Den Bartwuchs soll
es auch auf die Sprünge helfen. Demnächst komme ich mit einem
richtigen Oberlipprenschnorres ins Kabinett! Diese Armleuchter
werden Augen machen!
Wer noch weiter
durch die Hauptstadt streift, hört das meckernde Lachen des
sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten. Sein Buch "Helmut
Schmidt fragt - ich antworte" liegt in allen Buchhandlungen.
Und im Gesundheitsministerium züchtet man Stammzellen ohne Mittelstandsbauch.
Bald fängt das Theater wieder an.
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