Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (14. August 2011)
 
   Wo sind sie denn?
 

   Sommer in Berlin: Die Strassenschluchten dösen vor sich hin. In den Gründerzeitvierteln blickt man aus der Beletage direkt auf die alpinen Hinterlassenschaften zahlloser Hunde. Die Politik pausiert. Im Parlament liegen Notizzettel - stumme Zeugen vergangener Redeschlachten: "Grünes Miststück ... verlogener Sauhaufen ... wenn ich gehe, geht ihr mit! ... SPD-Kollege sieht schlecht aus. Alkohol? ... Heute Intrigenabend beim Italiener ... CSU-Populist neulich drei Sekunden länger im Fensehen ..." Im Hinterhof werden die Dienstwagen desinfiziert. Aromaspray tötet die Melange aus Angstschweiss und Kognak.

   Doch wo sind die Akteure? Im Keller eines bayerischen Anwesens spielt der kraftstrotzende CSU-Chef mit der sagenumwobenen Modelleisenbahn, für die grosse Teile des Pfaffenwinkels unterkellert wurden. Züge rasen aufeinander zu. Funken sprühen, es riecht nach verschmorten Kabeln. Wäre nur alles so einfach. Absolute Kontrolle. Weichen stellen, Konkurrenten ausradieren, Haltezeiten missachten. Nie wieder ans Tageslicht kommen. 200 Kilometer weiter nordwestlich betrachtet der neu gewählte grüne Ministerpräsident befriedigt die Ausschachtungen unter dem Staatsministerium. Bald ist es so weit. Hunderttausende Amphibien werden sich aus allen Landesteilen auf den Weg machen. "Hier baut das Land für sie den grössten Krötentunnel Europas", schreit ein Plakat. Der grauhaarige Landesvater zapft einen Grünalgenkaffee aus dem Automaten und setzt behutsam eine verirrte Spinne in den Rasen.



   Krötentunnel? Dem Minister einer traditionsreichen Fünfprozentpartei geht es um Wichtigeres. Jahrelang hat er alle Finessen und Finten ausgelotet, keine Debatte gescheut, in geheimen Zirkeln für seine Idee geworben, die Öffentlichkeit sensibilisiert. Jetzt ist es so weit. "Noch zwei, drei Umdrehungen, dann habe ich den schönsten Krawattenknoten vollendet, den Menschenhand jemals geschlungen hat." Niemand hat an das Gelingen dieses Projektes geglaubt. Überkreuz, links, rechts - das kann jeder Hartz-IV-Empfänger. Aber diese barocken Verwicklungen, die Akkuratesse bei gleichzeitiger Bewegungsfreiheit des Adamsapfels. Der Minister hat Tränen in den AUgen. Sein junger Parteifreund und Wirtschaftsminister betrachtet derweil grüblerisch eine Parade von Schnapsgläsern vor sich. Damit müsste es klappen, denkt er. Ein neuer Extrakt aus Schildkrötenblut und Ginseng. "Auch der schmächtigste Reisegelehrte kann damit saufen wie ein Wasserbüffel", verspricht die Packung in gebrochenem Chinesisch und warnt vor der Abgabe an Minderjährige. Endlich mithalten mit diesen arroganten Gewohnheitstrinkern der Konkurrenzparteien. Den Bartwuchs soll es auch auf die Sprünge helfen. Demnächst komme ich mit einem richtigen Oberlipprenschnorres ins Kabinett! Diese Armleuchter werden Augen machen!

   Wer noch weiter durch die Hauptstadt streift, hört das meckernde Lachen des sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten. Sein Buch "Helmut Schmidt fragt - ich antworte" liegt in allen Buchhandlungen. Und im Gesundheitsministerium züchtet man Stammzellen ohne Mittelstandsbauch. Bald fängt das Theater wieder an.

 

 

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