Wie jeder Lohnabhängige,
der ein gewisses Lebensalter auf dem Buckel hat, kann ich von
mir sagen, dass ich schon einige Chefs überlebt habe. Das Verhältnis
zu meinen Chefs ist mit friedlicher Koexistenz treffend umschrieben,
würde ich rückblickend behaupten. Unter manchen Chefs habe ich
gelitten. Manche Chefs haben unter mir gelitten. Wir haben uns
stets wie gestandene Eheleute im Guten getrennt.
Einem
meiner früheren Chefs bin ich vor einiger Zeit auf einer Demo
begegnet. Ich erzähle dies in der Hoffnung, dass es hilft. Hat
mir mein Therapeut geraten. Manches Trauma, hat er gesagt, könne
man verhindern, indem man darüber spricht. Zwar bin ich mit
meinem Ex, also als er noch mein Chef war, hin und wieder aneinander
geraten. Nie aber hat mir ein Treffen mit ihm dermassen zu schaffen
gemacht. Zwei Männer, zwei Gehaltsklassen, zwei Weltbilder.
Damit konnte ich leben. Nun standen wir auf einer Seite, traten
für dieselbe Sache ein. Früher hätte ich mich mit der Begründung
herausreden können, dass ich es meiner Karriere wegen tue. Und
nun?
Die Vorstellung, dass wir jetzt
Kampfgenossen sind, macht mir zu schaffen. In so einer Situation
greift man nach jedem noch so schmalen Strohhalm. Fürs Erste
muss ein Artikel genügen, den "Spiegel online" diese
Woche veröffentlicht hat. Unter der Überschrift "Wann Sie
überlastet sind, bestimme ich" brachte der Internet-Ableger
des Nachrichtenmagazins Sprüche von Chefs. Herrlich, was Führungskräfte
in ihrer Wut vom Stapel lassen! Am besten hat mir gefallen,
was ein Menschenschinder aus einer Werbeagentur einer Mitarbeiterin
bei Gehaltsverhandlungen gesagt haben soll: "Sie können
mit ihrem Gehalt keine zwei Kinder ernähren? Dann muss eben
eins sterben."
Ich habe noch von
keinem meiner verflossenen Chefs einen solchen Spruch gehört.
Es könnte also sein, dass meine bisherigen Chefs gar keine richtigen
Chefs waren (was das Demo-Erlebnis erträglicher macht).
Seit
dieser Woche habe ich einen neuen Chef. All meine Hoffnung ruht
auf diesem Mann.
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