Wer sich in diesen Tagen
in den Vorgärten und Naherholungsgebieten herumtreibt, kommt
in den Genuss eines Brilliantfeuerwerks an Sinneseindrücken.
Die Natur tut das, was sie seit Jahrhunderten tut: Sie treibt
und schlägt wild um sich und beschert jenen Bürgern schlaflose
Nächte, denen die Ratenzahlungen für einen Spezialrasenmäher
mit Blechgehäuse und separat zuschaltbarer Mähspindel im Magen
liegen.
Unsere Wissenschaftsredaktion
ist gerüstet. Mit einem benzingetriebenen Zweitakt-Erdbohrer,
der seine maximale Leistung bei 3600 Umdrehungen erreicht und
5,4 PS brutto leistet, sich dabei einer Getriebeuntersetzung
von 85:1 bedient und sogar ein Wendegetriebe mit Rückwärtsgang
aufweist und ... wo waren wir? Genau, wir arbeiteten uns also
durch das Unterholz des deutschen Gartens und entdecken Spektakuläres:
Die immergrüne Kretsch-Knorre etwa, im Politiktreibhaus oft
schon totgesagt, gedieh bisher nur im Schatten katholischer
Kirchenmauern. Jetzt streckt sie ihre drollige Weisshaarbürste
in Amtsstuben und TV-Studios. Sie ist anspruchslos und lässt
sich von jedem Laien gesundbeten. Der Tepco-Tränensack wiederum
ursprünglich aus Japan stammend, verbeugt sich in alle Windrichtungen
und bläst seine sinistren Ableger übers Land. Wer seine Nachbarn
quälen will, fächelt die Pollen über den Zaun, wo sie rasch
jedes Leben ersticken. Guido Reptans Wellen, der alerte kriechende
Bodendecker, ist seit einigen Wochen ein gerngesehener Gast
in der Grünen Tonne. Sein Artverwandter, der runzelige Wasserdost
Ageratina altissima Brüderliensis, macht sich durch brabbelnde
Windgeräusche bemerkbar und verlangt nach ordnungspolitisch
angelegten Gartenanlagen. Dort wird er oft mit einem verlassenen
Ameisenhügel verwechselt.
 Die
Campanula Berlusconia gehört zu den immerbraunen Heuchelblumen,
die abzuschneiden den Einsatz einer unbestechlichen Zweitakt-Heckenbrennschere
mit 60 Zentimeter Schwertlänge erfordert. Wenn Campanula über
den Zaun grinst und sich die Zweige an den Kopf klebt, murmelt
mancher Gärtner nur noch das Gottseibeifuss. Der holländische
Helianthus Gaal, ein gewaltiger Pilz, klammert sich in Sportkabinen
fest und lässt dort immer wieder seine stinkende Haut fallen.
Nach spätestens einem Jahr setzt er einen Eisenhut auf und wird
vollends ungeniessbar. Im Baumarkt immer auf eine Ausstiegsklausel
achten! Knudsen borea wiederum, eine muskulöse hyperaktive Flechte,
gedeiht vor allem im Internet. Wer ihr etwas Persöhnliches in
den Blütenkelch wirft, wird dies später bitter bereuen - dann
weiss der ganze Garten davon. Schliesslich der aus der Cyreneika
mit dem Wind des Wechsels hereingewehten Baumwürger Muhammar
celastrus. Wer seiner Herr werden will, ruft am besten einen
Fachbetrieb, der mit Boden-Luft-Raketen ausgestattet ist. Man
sieht: Gartenarbeit ist nichts für Feiglinge. Es geht aber auch
anders: Wer seine Sonntagszeitung zerkrümmelt und in Brackwasser
einlegt, kann sich in spätestens zehn Jahren über seine halluzinogene
Traube freuen, aus der ein schmackhafter Tee gebrüht werden
kann. Der Sud löst ein rosarotes Lachen aus, das auch Kolumnen
wie diese erträglich macht.
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