Unsere Redaktion, immer
auf der Suche nach den düsteren Untiefen der Geschichte, nach
unbewältigten Traumata und all dem anderen Psycho-Zeugs, hat
sich an einem jener mythenumwaberten Orte umgesehen, deren blosses
Aussprechen schon Erschütterung und ein heimliches Grauen hervorruft.
Wir sprechen nicht von von der Umkleidekabine des Musikantenstadels,
dem Hausaltar Karl Lagerfelds oder der Privatsauna von Bauernpräsident
Sonnleitner. Es geht vielmehr um das deutsche Kreiswehrersatzamt.
Jahrzehntelang wurden dort Lungen, Testikel und Oberschenkel
auf ihre Kriegsverwendbarkeit getestet. Man fasste Probanden
hier und dort an, liess sie umherhopsen und die Knie beugen,
husten, lachen und die Zähne zusammenbeissen. Danach hätte es
ab in den Krieg gehen können, doch der kam nicht.
Diese
Woche erreichte uns die Meldung, dass das Heer mangels Nachwuchs
immer mehr ausblutet. Versuche des Verteidigungsministeriums,
die Truppenstärke mittels Copy und Paste aufzufüllen, scheiterten.
Wir recherchierten in mehreren Kreiswehrersatzämtern und spürten
den Hauch von Vergessenheit und Verwesung: In den Räumen fällt
fahles Licht auf die efeubewachsenen Schreibtische, der Präsident
im Bilderrahmen heisst noch Cartensen, der Luftmarschall Göring.
Ein Orthopädie-Offizier untersucht sich gähnend selbst. In den
Röntgenapparaten liegen sepia-getönte Aufnahmen von Lungen,
deren Besitzer längst aus dem letzten Loch pfeifen, der vertraute
Geruch nach abgetragenen Unterhosen und Angstschweiss ist verflogen.
Sogar die anatomische Schautafel an der Wand sieht müde aus.
Alarmiert
durch Berichte über den Personalnotstand versuchen immer wieder
engagierte Mitbürger den Aderlass bei der Truppe auszugleichen.
Wir treffen einen drahtigen Rentner, der angibt, bereits an
der Ostfront Erfahrungen gesammelt zu haben. "Ostfront.
Aha", antwortet der diensthabende Narkosetroupier. "Und
der Rücken?" - "Na ja, der zwickt ein wenig, aber
wenn ich mich eingrabe ..." Er macht Anstalten, den Fussboden
mit einem Klappspaten aufzubrechen, wird aber rasch von einem
HNO-Pionier aus der Stube gedrängt. Stunden später schlurft
ein Trainingsanzug mit Goldkette herein. "Die müssen Sie
abnehmen, sie kriegen aber 'ne neue". murmelt der Stabsröntgenologe
und betrachtet stirnrunzelnd die Tätowierungen. Am Nachmittag
finden sich noch einige hustende Hartz-IV-Empfänger ein. Sie
beteuern, mit dem frühen Aufstehen keine Probleme zu haben.
"Brauchen nur jemanden, der uns weckt." - "Den
haben wir", meint ein Gastrologie-Gefreiter mit sardonischem
Lächeln, als unversehend eine Frau eintritt. "Haben Sie
sich das gut überlegt", fragt der zuständige Karbol-Kanonier
lauernd. "Draussen im Feld, da kann man nicht immer getrennte
Umkleide ... und überhaupt ... die diensthabende Bataillonsgynäkologin
ist in Rente." Die Frau verlässt missmutig den Raum. Dann
kehrt wieder Stille ein. Ein Medizinalmarschall reinigt seine
Fingernägel. Eine Fliege fällt tot von der Wand. Noch vier Stunden
bis Feierabend. Und immer noch kein Krieg in Sicht.

Titel, Thesen, Temperamente ... altehrwürdige Titel und akademische
Grade
1 Baron Der
Baron, der im deutschen Sprachgut ein Freiherr ist, besass einmal
reichlich Musse, Ländereien, Vasallen und noch mehr Freifrauen.
Es war das Männerparadies auf Erden. Heute müssen Freiherren
täglich 16 Stunden ins Büro und abends neben der Kinderaufzucht
auch noch Doktorarbeiten frisieren. Trauriges Angestelltenschicksal,
allzu bekannt. Freie Herren gibt's nicht mehr.
2 Despot Der
Titel Despot wurde im 12. Jahrhundert vom byzantinischen Kaiser
Manuel I. Komnenos als höchster Titel nach dem des Kaisers eingeführt.
Mubarak und Gaddafi haben da etwas durcheinandergebracht. Also
ab in die zweite Reihe!
3 König Ob
Dschungelkönige, Torschützenkönige, Wettkönige, Königskrabben,
Burger King oder auch "Das König der Biere" - inzwischen
gibt es in diesem Land mehr Könige als Untertanen namens Maier.
Wer soll das alles gucken, fressen und dann noch verdauen?
4 Ballkönigin Der
österreichische Bauunternehmer Richard "Mörtel" Lugner
gehört zum Wiener Opernball wie der Kopfschmerz zur Heurigenbesuch.
Ein fideler Lustmolch, der regelmässig abgehalfterte Promi-Schicksen
aufs Parkett führte. Doch mit der Einladung von Burlusconis
Skandalnudel Ruby zum ersten Schwof hat Tanzbär Mörtel die Kelle
zu voll genommen.
5 Lady Lady
Chatterley? Leider aus Papier. Die eiserne Lady? Leider verrostet.
Lady Diana? Leider tot. Lady Gaga? Leider gaga. Bleibt nur noch
der Lady Shaver mit extra langer Akkulaufzeit und hypoallergenen
Scherfolien. Leider.
6 Pascha Zäh
hält sich das Gerücht unter gedemütigten deutschen Hausmännern,
im nachbarlichen Migrationshintergrund würden die letzten Exemplare
eines aussterbenden altehrwürdigen Adelsgeschlecht weiterleben.
Die Paschas. Man erzählt sich wundervolle Geschichten von Männern,
die nach Feierabend zum Übereinanderschlagen ihrer Beine die
Hilfe einer ehelichen Assistentin in Anspruch nehmen. Tolle
Kerle, die während der "Sportschau" nie den Müll rausbringen
müssen. Wie gesagt: Ein schönes Gerücht (siehe Baron).
7 Prinz Dieser
Tage erschütterte uns die Titelstory über Frédéric Prinz von
Anhalt. Um die Pflegekosten nach der Beinamputation seiner Frau
Zsa Zsa Gabor zu bezahlen, habe der Prinz ihre Pelzmäntel verhökert.
Ein Affront. Eine Zsa Zsa ohne Pelz ist so schlimm wie ein Prinz
ohne Pietät.
8 Konsul Erinnert
sich eigentlich noch jemand an den (nicht mehr ganz so schönen)
Konsul Weyer? Nein? Der Mann hat mit Titeln ein Vermögen gemacht.
Auf seiner Website steht, der Titel Honorarkonsul koste inzwischen
200 000 Euro. Dann lieber doch einen gut erhaltenen
Ford Consul, Baujahr 1975, für weniger als 10 000 Euro.
9 Fürstentum War
da nicht was mit mysteriösen Finanztransaktionen und schwarzen
Konten?
10 Dr.jur. Wenn's
im Ellenbogen zieht, geht man am besten zum echten Arzt: Zum
Dr.med. Als Kassenpatient zum Metzgermeister.
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