Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (20. Februar 2011)
 
   Dampfende Texturen
 

   Leider müssen wir Sie enttäuschen, verehrte Doktoranden, Verteidigungsminister und Juristen. Die folgende Umfrage unter namhaften Fussnotenspezialisten wurde weder gut zitiert noch schlecht kopiert. Sie ist einfach nur frei erfunden. Sollten Sie allerdings dieses Machwerk in Ihrer Dissertation verwenden, und zwar ohne Nennung der Quelle, wären wir für Ihre Diskretion äusserst dankbar.

   
Basch Mika, Autorin: Die Sache mit den Fussnoten? Ein Skandal! Selbstverständlich plädiere ich für die Einführung einer Fussnotenquote. Gerade in meiner neuen Streitschrift sind erfolgreiche Fussnoten in aussichtsreichen Positionen eine Seltenheit. Dabei sind die Dummerchen meiner Meinung nach selbst schuld an ihrer Misere. Nach der kopflosen Verbindung mit einer dominiernden Zahl lassen sie sich vom akademischen Haupttext bald an den unteren Rand drängen, lungern antriebsschwach vor Kindergärten herum und stossen beim nächtlichen Geschlechterkrampf an gläserne Steppdecken. Verkrümelmentalität statt Selbstverantwortung!

   
Manolo Blahnik, Schuhdesigner: Um ehrlich zu sein. Ich bin ganz gierig nach Fussnoten. Gerade in den ersten Frühlingstagen atme ich tief und befreit ein. Wenn die schönen Frauen nach einem langen, harten Winter ihre kleinen, aufgeweichten Füsse in meinen unmenschlich hohen Sandalen wund laufen und unter den Tischen eines Strassencafés heimlich lüften, krieche ich auf allen vieren, hechle, sabbere, schnüffle ich an herabhängenden Pflastern und nässenden Knorpeln - und ich bin selig.



   
Johann Lafer, Koch: Damals, als ich noch in einem steirischen Würstelstand Ceranwissenschaften studiert habe, kochte ich für meine hungrigen Kommilitonen oft mein Leibgericht: Gefüllte Schweinefussnoten mit pedikürten Knoblauchzehen in einem reduzierten Slibowitzsud. Das Rezept habe ich aus einer kyrillischen Gebrauchsanweisung für schmackhafte Landminen transkribiert. Ein Gedicht für alle Sinne, vor allem zum Frühstück. Die schwammige, dampfende Textur der Fussnotenballen steigt einem schnell zu Kopf, und mit der Zeit wird man recht damisch von dem Zeug. Aber im deutschen Fernsehen merkt das eh keiner. Baba.

   
Helene Hegemann, Schriftstellerin: Ich kann wenig dazu sagen. Ausser vielleicht: Kopieren geht über Promivieren. Fussnoten verwende ich prinzipiell nicht, weil ich diese hochgestellten Zahlen auf meiner Tastatur noch nicht gefunden habe. Verdammt. Na, wichtig ist nur, dass man authentisch rüberkommt. Und lassen Sie mich jetzt in Ruhe. Ich schreibe gerade von mir selbst ab.

   
Maria Furtwängler, Schauspielerin: In dem vieldiskutierten Zweiteiler "Schicksalsjahre" spiele ich die schöne Ursula, eine langbeinige Pianistin beim U-Bootkommando der Marine. Ich haue ohne Unterlass auf die Klavitur des Leidens. Mit regungsloser Mimik entlocke ich dem Trümmermarsch in ach-Moll (Knöchelverzeichnis 1933) von Wilhelm Gustloff Furtwängler für zwei schrundige Hände und eine Stalingradorgel ohrenbetäubende Fussnoten der Geschichte. Am Ende geht alles unter in meinem blonden Lockenmeer: ZDF-Tanker, fesche Matrosen und kitschige Drehbücher. Wunderbar.
 

 

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