Selbst einer unpolitischen
Kolumne kann es nicht schaden, wenn man politisches Personal
ins Spiel bringt. Gibt dem Ganzen einen seriösen Anstrich.
Aus
diesem Grund wollen wir an den grossen Roman Herzog erinnern,
unseren siebten Bundespräsidenten, der schon deshalb einen Platz
in der deutschen Geschichte verdient hat, weil er uns mal so
richtig in den Hintern getreten hat. Das Staatsoberhaupt formulierte
es feiner, Sie erinnern sich, die Sache mit dem Ruck, der endlich
durch Deutschland gehen müsse.
Als
politki-frei denkender Mensch vermag ich nicht zu beurteilen,
ob es den Ruck jemals gab. Was ich in diesen Tagen vernehme,
ist allenfalls ein unterdrücktes Röcheln, das sich oft in ein
bellendes Gehuste steigert, womit wir bei einem anderen grossen
Roman angekommen wären. Thomas Manns Bildungsroman "Der
Zauberberg", der in einem Lungensanatorium in den Schweizer
Alpen verortet ist.
Einer meiner Kollegen
in der Redaktion gibt alle zehn Sekunden Hustenlaute von sich.
Ich bin kein Arzt, aber gut hört sich das nicht an. Neulich
hat der Kollege zwischen zwei Hustern gefragt, ob ich glauben
würde, dass es nach dem Tod ein Leben gibt. Damit sei ich überfragt,
habe ich gesagt. Ich sei aktuell mit der Frage beschäftigt,
ob es vor dem Tod ein Leben gibt.

In
guten Momenten klingt der Kolleg wie ein singender Gibbon, eine
Feststellung, die nach Präzisierung geradezu schreit. Deutsche
Primatenforscher haben herausgefunden, dass es beim Gesang der
Gibbons lokale Unterschiede gibt - es aus dem laotischen Regenwald
anders tönt als aus dem kambodschanischen oder dem vietnamesischen.
Da
fragt man sich natürlich, ob sich mundartliche Unterschiede
auch beim Husten niederschlagen. Hustet der Schwabe nasaler
als der Bayer, bei dem der Auswurf eher aus der Tiefe des Rachens
kommt?
Vielleicht, habe ich dem Kollegen
gehustet, könne ein Ortswechsel nicht schaden, es gäbe da schöne
Plätze, in der Schweizer Bergwelt etwa, mit kristallklarer Luft.
Ausserdem solle er die Hoffnung nicht aufgeben, die Medizin
mache unglaubliche Fortschritte. Heutzutage werden nicht nur
Herzen und Nieren, sondern inzwischen sogar Bäume verpflanzt
- wobei Letzteres ein vergleichsweise personalintensives Unterfangen
ist. Um 16 Bäume vom Stuttgarter Hauptbahnhof zu versetzen,
habe ich diese Woche gelesen, braucht man 600 Polizisten.
Auch
wenn die Kunst des Bäumeverpflanzens noch in den Kinderschuhen
steckt, könnte das ein recht lukrativer Wirtschaftszweig werden.
Ich denke an fussfaule zahlungskräftige Kunden. Wenn die nicht
in den Wald gehen, dann kommt der Wald eben zu ihnen. Ein wahnsinniger
Geniestreich!
Genie und Wahnsinn liegen
dicht beieinander. Hat der Theaterregisseur Claus Peymann gesagt,
als er neulich im Deutschlandradio an den grossen österreichischen
Dramatiker Thomas Bernhard erinnerte, der am Mittwoch 80 geworden
wäre. Wir verneigen uns vor dem toten Dichter - und beweisen
weiter WOche für Woche, dass es zum Wahnsinn keines Genie bedarf.
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