Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (13. Februar 2011)
 
   Wir husten und haben kein Problem
 

   Selbst einer unpolitischen Kolumne kann es nicht schaden, wenn man politisches Personal ins Spiel bringt. Gibt dem Ganzen einen seriösen Anstrich.

   Aus diesem Grund wollen wir an den grossen Roman Herzog erinnern, unseren siebten Bundespräsidenten, der schon deshalb einen Platz in der deutschen Geschichte verdient hat, weil er uns mal so richtig in den Hintern getreten hat. Das Staatsoberhaupt formulierte es feiner, Sie erinnern sich, die Sache mit dem Ruck, der endlich durch Deutschland gehen müsse.

   Als politki-frei denkender Mensch vermag ich nicht zu beurteilen, ob es den Ruck jemals gab. Was ich in diesen Tagen vernehme, ist allenfalls ein unterdrücktes Röcheln, das sich oft in ein bellendes Gehuste steigert, womit wir bei einem anderen grossen Roman angekommen wären. Thomas Manns Bildungsroman "Der Zauberberg", der in einem Lungensanatorium in den Schweizer Alpen verortet ist.

   Einer meiner Kollegen in der Redaktion gibt alle zehn Sekunden Hustenlaute von sich. Ich bin kein Arzt, aber gut hört sich das nicht an. Neulich hat der Kollege zwischen zwei Hustern gefragt, ob ich glauben würde, dass es nach dem Tod ein Leben gibt. Damit sei ich überfragt, habe ich gesagt. Ich sei aktuell mit der Frage beschäftigt, ob es vor dem Tod ein Leben gibt.



   In guten Momenten klingt der Kolleg wie ein singender Gibbon, eine Feststellung, die nach Präzisierung geradezu schreit. Deutsche Primatenforscher haben herausgefunden, dass es beim Gesang der Gibbons lokale Unterschiede gibt - es aus dem laotischen Regenwald anders tönt als aus dem kambodschanischen oder dem vietnamesischen.

   Da fragt man sich natürlich, ob sich mundartliche Unterschiede auch beim Husten niederschlagen. Hustet der Schwabe nasaler als der Bayer, bei dem der Auswurf eher aus der Tiefe des Rachens kommt?

   Vielleicht, habe ich dem Kollegen gehustet, könne ein Ortswechsel nicht schaden, es gäbe da schöne Plätze, in der Schweizer Bergwelt etwa, mit kristallklarer Luft. Ausserdem solle er die Hoffnung nicht aufgeben, die Medizin mache unglaubliche Fortschritte. Heutzutage werden nicht nur Herzen und Nieren, sondern inzwischen sogar Bäume verpflanzt - wobei Letzteres ein vergleichsweise personalintensives Unterfangen ist. Um 16 Bäume vom Stuttgarter Hauptbahnhof zu versetzen, habe ich diese Woche gelesen, braucht man 600 Polizisten.

   Auch wenn die Kunst des Bäumeverpflanzens noch in den Kinderschuhen steckt, könnte das ein recht lukrativer Wirtschaftszweig werden. Ich denke an fussfaule zahlungskräftige Kunden. Wenn die nicht in den Wald gehen, dann kommt der Wald eben zu ihnen. Ein wahnsinniger Geniestreich!

   Genie und Wahnsinn liegen dicht beieinander. Hat der Theaterregisseur Claus Peymann gesagt, als er neulich im Deutschlandradio an den grossen österreichischen Dramatiker Thomas Bernhard erinnerte, der am Mittwoch 80 geworden wäre. Wir verneigen uns vor dem toten Dichter - und beweisen weiter WOche für Woche, dass es zum Wahnsinn keines Genie bedarf.
 

 

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