Dass sich Arbeitsgeber immer
mehr um das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter kümmern, kann man
daran erkennen, dass in immer mehr Betrieben Erste-Hilfe-Kurse
abgehalten werden. Das Bemühen ist allerdings für die Katz,
wenn Mitarbeiter diese Termine nicht wahrnehmen.
Ich
weiss, wovon ich spreche. Mir ist das neulich erst selbst passiert.
Wichtig in dem Zusammenhang ist mir der Hinweis, dass ich es
nicht getan habe, weil mir als langjährigem Ersthelfer plötzlich
klat geworden ist, dass ich im Ernstfall doch nicht bereit wäre,
mir mit lebensrettenden Sofortmassnahmen im Kollegenkreis einen
Orden zu verdienen. Auch bin ich nicht zu der Überzeugung gelangt,
dass mir die Wiederbelebung gewisser Kollegen zuwider wäre.
Ich habe den Termin schlichtweg verpennt.
Wenn
ich nun auf den Protest gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 oder
die gekippte Schulreform in Hamburg zu sprechen komme, so mag
das im ersten Moment merkwürdig erklingen. Und womöglich auch
im zweiten Moment. Ich tue es deshalb, weil mir in diesen Zusammenhängen
oft der Begriff "gelebte Demokratie" begegnet ist.
Nie konnte ich mir darunter so recht etwas vorstellen. Was unterscheidet
gelebte Demokratie von der mir bekannten? War die Demokratie
bisher tot oder scheintot und ist sie nun wiederbelebt worden
von erzdemokratischen Ersthelfern?
Fragen
wir doch mal Google, was der so meint. Und siehe da, wir stossen
an zweiter oder dritter Stelle auf einen einleuchtenden Eintrag.
Gelebte Demokratie, so heisst es da, sei, wenn Menschen für
ihre Überzeugung auf die Strasse gehen. Wenn diese Definition
stimmt, dann bin ich ein gelebter Demokrat. Ich gehe oft für
meine Überzeugung auf die Strasse. Wenn ich etwa überzeugt davon
bin, dass mir ein Spaziergang an der frischen Luft guttut, gehe
ich auf die Strasse. Wenn ich davon überzeugt bin, dass der
Typ im Wagen vor mir ein Penner ist, dann gehe ich an der nächsten
roten Ampel auf die Strasse und geige ihm meine Meinung. Wenn
er auch aussteigt, dann weiss ich, dass ich es mit einem gelebten
Demokraten zu tun habe. |