Alle Augen richten sich
in dieser Woche auf die FrankfurterBuchmesse, jenem Mekka der
Halbbildung, zu dem sich schöne Frauen, Designerbrillen, Lizenzanwälte
und vereinzelt auch Autoren alljährlich zusammenfinden. Bei
einem Rundgang wird klar: Mit "Hot Spots", "Story
Drives", "Communities", "Best-Practice-New-Ideas"
und dem "Educationel Publishing Pavillon" geht zum
ersten Mal seit Jahren wieder um die deutsche Sprache. Unsere
Redaktion hat sich in den Messehallen umgeschaut und dabei versehentlich
einige herumlungernde E-Reader niedergetrampelt. E-Reader, auf
deutsch: Elektroleser, wurden bereits auf der Pariser Weltausstellung
1900 vorgestellt, konnten sich aber damals gegen Dampflokomotiven
und Maschinengewehre nicht durchsetzen.
Heute
dagegen sind Elektroleser gerngesehene Gäste. Sie blättern so
schnell um, dass ein Analogleser mit blossem Auge kaum hinterherkommt.
Sie merken sich alle Querverweise uund kennen mindestens drei
Millionen Fremdwörter. Einen Grass verarbeiten sie binnen weniger
Minuten zu binärem Brei, neigen aber zu Blockaden und Abstossungsreaktionen
gegen Coelho-Esoterik. Bei Lesungen verdrücken sie zwölf Schnittchen,
trinken ohne Dtenverlust sechs Prosecco und sondern beim Small
Talk noch Sentenzen von geschliffener Brillanz ab.

Nun
aber ein rascher Blick auf die Neuerscheinungen, die vor allem
von Prominenten aus Show und Politik geprägt sind. Da wäre beispielsweise
Christine Neubauer mit ihrem Buch "Mein Leben als Teigtasche".
Die bekannte Filmnudel lässt Stationen ihrer Karriere Revue
passieren. Von den Anfängen als Grünalge bis zur Rolle als 48-jährige,
vollreife Schlachtplatte in dem Remake von "Das grosse
Fressen". Andere Buchmesse-Blockbuster sind: "Hautflügler
der Liebe" von Anselm Grün; der Schutzengel aus dem Bayerischen
schildert noch einmal seine dramatischsten Einsätze auf den
Dreitausendern der Beliebigkeit. Stefan Mappus: "Aufrecht
gehen"; der beliebte Landespanzer lässt in beklemmender
Offenheit seine Gewissenszwänge während den Oktoberunruhen Revue
passieren - eine Pflichtlektüre für alle, die glauben, Demokratie
sei eine Selbstverständlichkeit. Georg Funke: "Schicksal
HRE. Mein zweites Leben"; ein "Bankmanager mit Gewissen"
beschreibt, wie er gegen allen Widerstände das Kapital an notleidende
Länder wie Irland, Island und die Cayman Islands übergab, dann
zum Rücktritt gezwungen wurde und jetzt auf einem Öko-Bauernhof
Pensionszahlungen kultiviert. Annette Schavan: "Wenn man
drückt, geht noch was rein - moderne Bildungspolitik auf dem
Weg zum G5"; die Kulturministerin legt mit Witz und und
verblüffernder Stringenz dar, wie der Bildungsweg um Jahre verkürzt
werden kann. Zwölfjährige Studenten sind demnach keine Utopie
mehr. Thilo Sarazin: "Deutschland rafft sich auf. Über
die Technik des Zusammenraffens"; der Erfinder der legendären
1000-Euro-Klausel gibt Tipps, wie man das Tabu grenzenloser
Gier durchbricht und trotzdem noch zu Parties eingeladen wird.
Beim Durchblättern brannten allerdings bei vielen Elektrolesern
die ersten Schaltkreise durch.
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