Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (26. September 2010)
 
Heisser Herbst
   

   Folgenden Länder droht nach unbestätigten  Medienberichten ein heisser Herbst: Italien (Streik), Griechenland (Pleite), Spanien (Wirtschaftskrise), Thailand (politische Unruhen) und Deutschland (allgemeine Unzufriedenheit). Wahrscheinlich haben wir bei dieser Aufzählung noch einige Länder vergessen.

   Sogar dem mächtigsten Mann der Welt, US-Präsident Obama, steht angeblich ein heisser Herbst bevor, weil seine Demokraten bei den Kongresswahlen am 2. November die Mehrheit verlieren könnten. Der heisse Herbst macht nicht einmal vor den Winzern halt. Die Trauben in diesem Jahr, so war zu lesen, stünden zwar gut, seien aber auch schwierig im Umgang. Man weiss offenbar nicht so recht, wann man sie ernten soll. Da freuen wir uns doch lieber auf den "heissen Auto-Herbst", den im Oktober der Pariser Automobilsalon mit vielen neuen Kraftfahrzeug-Modellen einläuten wird. Ob wir uns auch auf den "Herbst der Entscheidungen" freuen sollen, den Bundeskanzlerin Merkel ausgerufen hat, das wissen wir nicht so recht.

   Laut dem Online-Lexikon Wikipedia ist der "heisse Herbst" in etwa seit Ende der sechziger Jahre als Begriff gebräuchlich für gesellschaftliche Konflikte aller Art. Die letzte Bundestagwahl (2009) hat natürlich im Herbst stattgefunden, die nächste (2013) ist ebenfalls für diese Jahreszeit vorgesehen. Warum stopfen wir alles in den Herbst? Warum machen wir nicht mal einen heissen Frühling oder mal zur Abwechslung endlich einen richtig langen heissen Sommer?



   
Wir sollten unsere Streitereien besser aufs Jahr verteilen. Diesen Herbst zum Beispiel kann man in Deutschland unmöglich zugleich gegen Atomkraft, gegen Stuttgart 21 und gegen Sozialabbau und dabei noch einer geregelten Beschäftigung nachgehen. Demonstrationen ohne Ende - man bräuchte ein Koordinationsbüro "heisser Herbst".

   Schon klar, der Herbst ist ideal für Aktionen aller Art. Nicht zu warm, nicht zu kalt. Kaum Ferien, keine allzu hohen christlichen Feiertage - da kann man es so richtig krachen lassen. Und wenn jetzt so manchem Gemeinderat ein "heisser Herbst" droht, weil hinten und vorn das Geld fehlt, der Haushalt fürs nächste Jahr trotzdem aufgestellt werden muss, da wollen wir nichts gesagt haben. Das sind Sachzwänge.

   Aber den Menschen an den Mikrofonen und Megafonen, die zum Protest aufrufen, möchte man wünschen, dass sei auch Zeit finden für einen Waldspaziergang. Vielleicht schaffen sie es ja auch, an irgendeinem Runden Tisch aus Kastanien etwas Nettes zu basteln. Der Herbst ist ein viel zu schöne Jahreszeit, um nur heiss zu sein.

   Soeben erreicht uns noch die Nachricht, dass auch der Gewerbeverein im badischen Müllheim vor einem heissen Herbst steht. Allein im Oktober wollen ein Hauptstrassenfest, eine Gewerbeschau und ein Winzermarkt organisiert und weggefeiert werden. Dazwischen muss vielleicht auch noch das Cannstatter Volksfest (siehe Bild) besucht werden, dessen Festzelte inzwischen so voll sind, dass man vor lauter Hitze ... Ach lassen wir das. Wir hätten jetzt Lust auf eine fade, langweilige Kürbiscremesuppe. Und wehe, sie ist heiss.
 

 

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