Diese Woche schimmerte Deutschland
in bläulichem Licht, ein leichtes Spratzeln lag in der Luft,
in den Gemüsebeeten strahlten die Tomaten über beide Backen,
die Menschen vibierten wie die Schachtelhalme. Warum? Nun, der
Beschluss der Regierung, alles, was an Atomreaktoren
noch herumsteht, weitere 140 Jahren anzuheizen, hat das Land
in eine technische Euphorie versetzt. An allen Standorten warfen
die Gnome des Bedienpersonals in ihren weissen Overalls übermütig
einige Brennelemte mehr ins Gefecht. Die Kühltürme glühten,
die Dampfturbinen rotierten wie von Sinnen, Neutronen schwirrten
wie trunkene Sperlingspapageien in den Containments umher. Selbst
die fusslahmsten Kraftwerke bekundeten die Absicht, bis weit
über die Schmerzgrenze hinaus weiterzulaufen.
Unsere
Wissenschaftsredaktion war auf einer Erkundungstour durch die
europäische Atomlandschaft und entdeckte zahllose vergessene
Meiler in Industriegebieten, Vorortsiedlungen, ungenutzten Kellern
und leerstehenden Kindertagesstätten. Meist handelte es sich
um sogenannte Altreaktoren, die bereits zu Beginn der Industrialisierung
ans Netz gingen - damals brauchte man Strom, um die ersten Webstühle
anzutreiben und die Arbeiter mit Riesenzucchini zu versorgen,
die im Schatten der Kühltürme prächtig gediehen. Danach dämmerten
die mechanischen Meiler im Dornröschenschlaf, jetzt sollen sie
wieder zum Leben erweckt werden. Prächtiges Beispiel ist der
Meiler Brut II, der aus Schlesien exportiert wurde, wo ihn spielende
Kinder kaputt machten. Neu instandgesetzt erhitzte er das Wasser
in einem österreichischen Schwimmbad, bevor er jetzt im Hochsauerland
wieder ans Netz geht. Betrieben wird er von der örtlichen freiwiligen
Feuerwehr, der in einer bewegenden Zeremonie vom scheidenden
österreichischen Sicherheitschef den Schlüssel und die Betriebsanleitung
übernahm.

Die
Lektüre zeigte, wie kinderleicht und sicher heute der Betrieb
eines Siedewasserreaktors geworden ist: "Danke, dass
Sie haben entschieden Kauf eines Reaktors Brut II XL. Wenn grüne
Knopf aktiv, leuchtet Aggregat betriebsam. Gemesst Strahlung
nie mit blosser Hand ablüften! Problem, wenn auf Tisch Teller
mit Spaghetti rutscht. Möglich Erdquaken! Wenn rote Lampen vergeblich
verbrennen, nimmt Sie Beine in Hand und schlägt Atom wie blödsinnig
mit Fliegenklatsche tot." - "Ja, dös is no die slowenische
Übersetzung", schmunzelt der Sicherheitschef, dessen Handkuss
maulbeerfarbene Brandnarben auf unseren Handrücken hinterliess.
Dann verabschiedete er sich schnell.
Die
Behörden haben die Sorgen der Bevölkerung ernst genommen und
die Sicherheitsstandards noch einmal verschärft. Neue
Fliegengitter wurden installiert, im Kühlwasserbehälter tummeln
sich Fische, die auf Radioaktivität mit sofortiger Entfärbung
reagieren. Die Zufahrten sind für Burkaträger gesperrt, in der
gesamten Anlage herrscht strengstes Explosionsverbot. Wackere
Stromerzeuger wie Brut II lassen das Land strahlen wie ein Adventskalender
und erwärmen den Winter bis zur Unkenntlichkeit. Nur das ständige
Gespratzel irritiert ein wenig.
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