Politiker brauchen eben auch mal Urlaub
Wenn
sich in Berlin die heisse Luft verzieht, wenn in den Edelbistros
die Kellner gelangweilt die Fingernägel reinigen, wenn das Kanzleramt
mit Efeu zuwuchert und das Grunzen der durchs Dorf getriebenen
Säue verstummt, dann ist Sommer. Die Politik ist im Urlaub und
schöpft Kraft, um sich danach aufs Neue zu beschimpfen, wichtige
Entscheidungen zu verschieben, Empörung, gegenseitiges Einvernehmen
und brutalstmögliches Miteinander zu heucheln.
Natürlich
hat unsere Redaktion nachgeforscht, wo sich unsere Entscheidungsträger
erholen. Fast wäre die Recherche im Sand verlaufen, hätten wir
nicht jenen gelb-blauen Reisebus auf der Autobahn München-Salzburg
entdeckt. Drinnen sass die FDP-Spitze bei einem Ausflug nach
Kärnten, eine der letzten liberalen Hochburgen Europas. Auf
dem Programm standen die Besichtigung der sagenumwobenen Bergfestung
von Jörg Haider und ein Sportprogramm, das die Zusammengehörigkeit
stärken soll: Gemeinsames Abseilen aus der Verantwortung, Waten
durch knietiefen tagespolitischen Unrat, Schlammschleudern.
Die
Stimmung war gut, brüllendes Gelächter in den hinteren Sitzreihen,
wo Dirk Nebel Bier aus seiner Fallschirmjägerkappe trank. "Sag
mal, Dirk", so Wolfgang Kubicki, "wie war's eigentlich
in Afrika?" - "Schön", dröhnt es zurück. "Bei
der Truppe kann man ja mit Neg... ich meinte mit indigenen Personen
farbiger Herkunft oder wie das heisst, nicht so in Kontakt.
Machen halt alle 'ne lange Siesta, die Kameraden. Aber immer
gut gelaunt." - "Also, ich finde", so Guido Westerwelle,
"gerade in Afrika müssen wir stärker auf eine gerechte
Ressourcenverteilung ..:" - "Nun lass mal den staatsmännischen
Quatsch", brummt Rainer Brüderle, der unter Parteikollegen
den Spitznamen Zwei Glas trägt, was irgendwie mit seiner Brille
zu tun haben muss.

Fast
wäre er aus dem Sitz gerutscht, hätte ein bereitstehender Jungliberaler
ihn nicht angeschnallt. "Und überhaupt, wieso fährt der
Busfahrer immer im Kreis, müsste auch mal dringend ... aber
zu müde." Er nickte dann ein. Bei der nächsten Pipipause
steigen wir wieder aus. Noch lange klangen die Marschlieder
aus den geöffneteten Fenstern, als der Bus Richtung Österreich
fuhr.
Ganz anders und militärisch straff
geplant verläuft der Urlaub von Verteidigungsminister zu Guttenberg:
"Nun, zunächst habe ich die Schirmherrschaft über die Leistungsschau
europäischer Friseure in Bad Kleinkirchheim übernommen. Dann
werde ich mich einem Stresstest unterziehen: Hubschrauberflug
ohne Ohrenstöpsel und 15 einarmige Frontbegradigungen. Schliesslich
begleite ich meine Frau dabei, wie sie im Zuge einer Wohltätigkeitsveranstaltung
etwa 200 Kindern über den Kopf streichelt."
Heimatsnah
geben sich die SPD und Grüne: Wir sahen Sylvia Löhrmann und
Hannelore Kraft Hand in Hand durch die arkadische Landschaft
des Hochsauerlands spazieren. Nur Wortfetzen waren von den beiden
zu vernehmen: "Stell dir vor, der Rüttgers behauptet, er
könne selbst Kaffee kochen (beide prusten). Heute Abend ein
Glas Pfirsichbowle bei dir ... aber du gibst mir den Kuschelteddy
dorch wieder zurück ... das Rosa steht dir toll ..." Dann
ging die Sonne blutrot unter.
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