Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (08. August 2010)
 

Politiker brauchen eben auch mal Urlaub

   Wenn sich in Berlin die heisse Luft verzieht, wenn in den Edelbistros die Kellner gelangweilt die Fingernägel reinigen, wenn das Kanzleramt mit Efeu zuwuchert und das Grunzen der durchs Dorf getriebenen Säue verstummt, dann ist Sommer. Die Politik ist im Urlaub und schöpft Kraft, um sich danach aufs Neue zu beschimpfen, wichtige Entscheidungen zu verschieben, Empörung, gegenseitiges Einvernehmen und brutalstmögliches Miteinander zu heucheln.

   Natürlich hat unsere Redaktion nachgeforscht, wo sich unsere Entscheidungsträger erholen. Fast wäre die Recherche im Sand verlaufen, hätten wir nicht jenen gelb-blauen Reisebus auf der Autobahn München-Salzburg entdeckt. Drinnen sass die FDP-Spitze bei einem Ausflug nach Kärnten, eine der letzten liberalen Hochburgen Europas. Auf dem Programm standen die Besichtigung der sagenumwobenen Bergfestung von Jörg Haider und ein Sportprogramm, das die Zusammengehörigkeit stärken soll: Gemeinsames Abseilen aus der Verantwortung, Waten durch knietiefen tagespolitischen Unrat, Schlammschleudern.

   Die Stimmung war gut, brüllendes Gelächter in den hinteren Sitzreihen, wo Dirk Nebel Bier aus seiner Fallschirmjägerkappe trank. "Sag mal, Dirk", so Wolfgang Kubicki, "wie war's eigentlich in Afrika?" - "Schön", dröhnt es zurück. "Bei der Truppe kann man ja mit Neg... ich meinte mit indigenen Personen farbiger Herkunft oder wie das heisst, nicht so in Kontakt. Machen halt alle 'ne lange Siesta, die Kameraden. Aber immer gut gelaunt." - "Also, ich finde", so Guido Westerwelle, "gerade in Afrika müssen wir stärker auf eine gerechte Ressourcenverteilung ..:" - "Nun lass mal den staatsmännischen Quatsch", brummt Rainer Brüderle, der unter Parteikollegen den Spitznamen Zwei Glas trägt, was irgendwie mit seiner Brille zu tun haben muss.



   Fast wäre er aus dem Sitz gerutscht, hätte ein bereitstehender Jungliberaler ihn nicht angeschnallt. "Und überhaupt, wieso fährt der Busfahrer immer im Kreis, müsste auch mal dringend ... aber zu müde." Er nickte dann ein. Bei der nächsten Pipipause steigen wir wieder aus. Noch lange klangen die Marschlieder aus den geöffneteten Fenstern, als der Bus Richtung Österreich fuhr.

   Ganz anders und militärisch straff geplant verläuft der Urlaub von Verteidigungsminister zu Guttenberg: "Nun, zunächst habe ich die Schirmherrschaft über die Leistungsschau europäischer Friseure in Bad Kleinkirchheim übernommen. Dann werde ich mich einem Stresstest unterziehen: Hubschrauberflug ohne Ohrenstöpsel und 15 einarmige Frontbegradigungen. Schliesslich begleite ich meine Frau dabei, wie sie im Zuge einer Wohltätigkeitsveranstaltung etwa 200 Kindern über den Kopf streichelt."

   Heimatsnah geben sich die SPD und Grüne: Wir sahen Sylvia Löhrmann und Hannelore Kraft Hand in Hand durch die arkadische Landschaft des Hochsauerlands spazieren. Nur Wortfetzen waren von den beiden zu vernehmen: "Stell dir vor, der Rüttgers behauptet, er könne selbst Kaffee kochen (beide prusten). Heute Abend ein Glas Pfirsichbowle bei dir ... aber du gibst mir den Kuschelteddy dorch wieder zurück ... das Rosa steht dir toll ..." Dann ging die Sonne blutrot unter.
 

 

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