Die Epoche der vaterlosen Gesellen
Dieser
Tage in der christlichen Kita gegenüber. Auf einer Bank zwei
Vierjährige im Dialog. Der Junge blättert missmutig in seinem
unvollständigen Panini-Album, das Mädchen schlägt soeben einen
Roman von Virgina Woolf zu und fragt freundlich: "Weshalb
wird eigentlich das Thema Homosexualität in der Bundesliga
tabuisiert?" Der Junge: "Ist halt so." Das Mädchen:
"Warum ist Gott eigentlich ein Mann?" Der Junge: "Was
denn sonst?"
Das Mädchen: "Hm.
Und warum schuften in unserer Kindertagesstätte nur unterbezahlte
Erzieherinnen und keine Männer?" Der Junge: "Weil
Kinder eben Frauensache sind!" Das Mädchen: "Wie blind
du doch bist. Auch dein Blick auf die Geschlechterrollen
wird getrübt von einer triebhaften, antifeministischen Metaphysik,
die seit Plato bis hin zu Freud in einer Art Spiegelstadium
verharrt, in dem sich das männliche Subjekt stets aufs Neue
durch seine Spiegelung im Negativ-Weiblichen, das es systematisch
ausgrenzt, konstituiert, es zensuriert und als Gegenbild der
phallischen Manifestationen in sich integriert."
Der
Junge bricht in Tränen aus, schreit bitterlich nach seiner Mama
und rennt davon.

Diese
erschütternde Szene, lieber Leser, ist beileibe kein Einzelfall
in diesem ausgeköhlerten, verkochten und umgebeusten Land, in
dem die Männer, wir Familien- und Landesväter amtsmüde
geworden sind. Kindermund tut Wahrheit kund, heisst es. Und
tatsächlich: Wenn es brenzlig wird, zögern wir allenthalben
viel zu lang, sammeln Fussballbildchen, nehmen Schaumbäder,
schlendern an der Aussenalster herum oder flüchten in den Weinkeller,
um am Ende Kinder, Geliebte, Kanzlerinnen, ja ganze Wahlvölker
im Stich zu lassen. Der Ifo-Geschäftsklimaindex steigt und steigt.
Und wir treten zurück.
Doch wie konnte
es dazu kommen? Wo ist er geblieben, der Patriarch von Schrot
und Korn, der seinen Clausewitz noch aus dem Effeff kannte und
im Notfall durchregierte, spätestend bis man ihn mit medialem
Sperrfeuer aus dem Amt und Würden schoss? Der Minister,
der mehr Öl am Gewehrkolben als im Haar hatte. Bundestrainer,
die sich nicht zieren. Ein Lenker, der sich nicht versteckt,
sondern wie einst Senator Schmidt mit rhetorischen Rauchschwaden
ganze Hansestädte trockenlegte, sie aus Jahrhundertfluten rettete,
statt in einer grünen Pfütze vor den scharrenden Hufen aufgebrachter
Eltern in Blankensee jämmerlich zu ertrinken.
Was
muss sich nun beim Anblick unseres gehörnten Plapperloddar Matthäus
ein Alt-Erotomane wie Martin Walser denken, der Feministinnen
und Landfrauen gleichermassen allein mit zwei Schachtelsätzen
und einer zuckenden Augenbraue zu multiplen Orgasmen verhalf?
Es
hilft alles nichts. Wenn es stimmt, was Bildungsexperten und
das Horoskop in der heutigen Zeitung behaupten, dass wir zunehmend
in einer vaterlosen Gesellschaft leben, dann sollten wir Söhnchen
unserer Mutti Angela einen erholsamen Urlaub wünschen, das Matriarchat
akzeptieren und geduldig auf den Start der Bundesliga warten.
Oder einfach zurücktreten. Und tschüss.
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