Lassen Sie ruhig den Rauch rein
Achtung,
liebe Leser: Wenn Sie Ihre Sonntags-Zeitung ausbreiten, zwei
Ausgaben nebeneinander legen und darauf keine warmen Speisen
verzehren, wenn darüber hinaus draussen breits Dunkelheit herrscht,
wenn in Ihrer Familie keine ansteckenden Krankheiten vorkommen,
wenn Sie und Ihre Lieben nicht durch Trunkenheitsfahrten, Mundraub
oder andere Delikte auffällig wurden, wenn der letzte Vollmond
noch keine 14 Tage zurückliegt und kein hoher kirchlicher Feiertag
vor der Tür steht, wenn Minderjährige zu den ausgebreiteten
Zeitungsausgaben keinen Zugang haben, wenn Ihre Lunge und andere
Organe, ärztlicherseits dokumentiert, in einwandfreiem Zustand
sind und damit die öffentlichen Kassen nicht belasten, wenn
Sie eine Wasserpfeife haben, die vom TÜV-Südwest ordnungsgemäss
abgenommen wurde und mit einem ins Freie ragenden Abluftrohr
ausgestattet ist, wenn auf den Zeitungsseiten keine vulgären
Inhalte sichtbar sind und in einschlägigen Internetforen kein
Foto von Ihrem Treiben auftaucht, wenn Sie in den kommenden
zwei Stunden kein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor bewegen, wenn
Sie kein Angestellter im öffentlichen Dienst sind oder Verwandte
haben, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind bzw. Kinder,
die die Absicht haben, in den öffentlichen Dienst zu wechseln
... dann, aber auch nur dann, dürfen Sie jetzt Ihre letzte Zigarette
rauchen.
Nein, nein, zieren Sie sich
nicht! Her mit der Lunte und in fünf Zügen runter damit. Die
Zeit drängt, der dunkle Schatten vor der Haustür könnte bereits
einen Pastoralreferent der ÖDP ohne Studienabschluss sein, der
Sie an den öffentlichen Schandpfahl nageln will.
Seit
die Bayern das schärfste Rauchverbot seit Inkrafttreten der
Inquisition unter Franz Josef Strauss beschlossen haben, ist
der Himmel über der Metropole wie aufgeräumt, die Alpen präsentieren
sich in ihrer ganzen Trostlosigkeit, man sieht jeden Hundehaufen,
man sieht Männer im Unterhemd und WM-Perücken, den fettigen
Belag auf dem Tresen der Eckkneipe, in der man gestern noch
quarzen durfte, man sieht die Augenringe der Frau, die eben
noch begehrenswert erschien und die Minuszeichen auf dem eigenen
Bankauszug.

Kurzum:
Das Leben ist von einer unerträglichen Klarheit.
Was
tun? Nun, es gibt viele Möglichkeiten, sein Dasein wieder zu
vernebeln: Zigaretten der Marke Zorban oder Katjusha, die Sie
in jedem scglecht geführten Onlineshop bekommen, können klein
gehäckselt zu einem schmackhaften Sommersalat zubereitet werden.
Schon nach wenigen Sekunden werden Sie eine wohlige Verwirrung
aller Sinne wahrnehmen, die sich wie Pudding aus alten Autoreifen
in Ihrem Gehirn ausbreitet. Das Gefühl hält bis zur nächsten
Runde der Gesundheitsreform an - dann muss die Dosierung erhöht
werden.
Alternativ können Sie sich
auch der Rauchergesprächsgruppe in einem Luftschutzbunker anschliessen.
Die Termine sagt Ihnen ihre örtliche Volkshochschule. Doch Vorsicht:
Das Rauchen ist kein Zuckerschlecken. Wer Geschmack daran gefunden
hat, sollte seinen Organismus schrittweise daran gewöhnen. Rufen
Sie uns ohne weiteres an, wenn Sie Hilfe brauchen.
|