Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (11. Juli 2010)
 

Lassen Sie ruhig den Rauch rein

   Achtung, liebe Leser: Wenn Sie Ihre Sonntags-Zeitung ausbreiten, zwei Ausgaben nebeneinander legen und darauf keine warmen Speisen verzehren, wenn darüber hinaus draussen breits Dunkelheit herrscht, wenn in Ihrer Familie keine ansteckenden Krankheiten vorkommen, wenn Sie und Ihre Lieben nicht durch Trunkenheitsfahrten, Mundraub oder andere Delikte auffällig wurden, wenn der letzte Vollmond noch keine 14 Tage zurückliegt und kein hoher kirchlicher Feiertag vor der Tür steht, wenn Minderjährige zu den ausgebreiteten Zeitungsausgaben keinen Zugang haben, wenn Ihre Lunge und andere Organe, ärztlicherseits dokumentiert, in einwandfreiem Zustand sind und damit die öffentlichen Kassen nicht belasten, wenn Sie eine Wasserpfeife haben, die vom TÜV-Südwest ordnungsgemäss abgenommen wurde und mit einem ins Freie ragenden Abluftrohr ausgestattet ist, wenn auf den Zeitungsseiten keine vulgären Inhalte sichtbar sind und in einschlägigen Internetforen kein Foto von Ihrem Treiben auftaucht, wenn Sie in den kommenden zwei Stunden kein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor bewegen, wenn Sie kein Angestellter im öffentlichen Dienst sind oder Verwandte haben, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind bzw. Kinder, die die Absicht haben, in den öffentlichen Dienst zu wechseln ... dann, aber auch nur dann, dürfen Sie jetzt Ihre letzte Zigarette rauchen.

   Nein, nein, zieren Sie sich nicht! Her mit der Lunte und in fünf Zügen runter damit. Die Zeit drängt, der dunkle Schatten vor der Haustür könnte bereits einen Pastoralreferent der ÖDP ohne Studienabschluss sein, der Sie an den öffentlichen Schandpfahl nageln will.

   Seit die Bayern das schärfste Rauchverbot seit Inkrafttreten der Inquisition unter Franz Josef Strauss beschlossen haben, ist der Himmel über der Metropole wie aufgeräumt, die Alpen präsentieren sich in ihrer ganzen Trostlosigkeit, man sieht jeden Hundehaufen, man sieht Männer im Unterhemd und WM-Perücken, den fettigen Belag auf dem Tresen der Eckkneipe, in der man gestern noch quarzen durfte, man sieht die Augenringe der Frau, die eben noch begehrenswert erschien und die Minuszeichen auf dem eigenen Bankauszug.



   Kurzum: Das Leben ist von einer unerträglichen Klarheit.

   Was tun? Nun, es gibt viele Möglichkeiten, sein Dasein wieder zu vernebeln: Zigaretten der Marke Zorban oder Katjusha, die Sie in jedem scglecht geführten Onlineshop bekommen, können klein gehäckselt zu einem schmackhaften Sommersalat zubereitet werden. Schon nach wenigen Sekunden werden Sie eine wohlige Verwirrung aller Sinne wahrnehmen, die sich wie Pudding aus alten Autoreifen in Ihrem Gehirn ausbreitet. Das Gefühl hält bis zur nächsten Runde der Gesundheitsreform an - dann muss die Dosierung erhöht werden.

   Alternativ können Sie sich auch der Rauchergesprächsgruppe in einem Luftschutzbunker anschliessen. Die Termine sagt Ihnen ihre örtliche Volkshochschule. Doch Vorsicht: Das Rauchen ist kein Zuckerschlecken. Wer Geschmack daran gefunden hat, sollte seinen Organismus schrittweise daran gewöhnen. Rufen Sie uns ohne weiteres an, wenn Sie Hilfe brauchen.
 

 

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