Joa und Amen fürs Menschliche
Es muss hier ein Wort
wiedergegeben werden, dass sich der mitteleuropäischen Fonetik
entzieht. Eine Art gutturaler Nasallaut, der aus einer vollen
Backe rutscht und wie eine reife Pflaume auf den Boden fällt.
Es ist das schwedische Ja, gesprochen ungefähr joa. Dieses Joa
entliess den Mund einer Thronfolgerin auf die Frage,
ob sie mit einem jungen Mann, der denselben Friseur wie Karl-Theodor
zu Guttenberg hat, in ein eheliches Verhältnis eintreten wolle.
Begleitet
wurde dieses Joa von modischer Exzentrik. Als sich die Hofschranzen
öffneten, zeigte sich die Braut in einer 45 Meter langen Schaluppe
aus Seide, Schabracken aus ganz Europa ruderten in ihren farbenprächtigsten
Roben durch die Kirche, Thronfolger folgten ihren Thronen, die
wiederum von Thronfolgern gefolgt wurden, angetan mit Goldketten,
aber ohne Trainingsanzüge. Nach der Fernsehübertragung, die
23 Milliarden allein in Schweden verfolgten, kam es zu Tausenden
Spontanhochzeiten.
SPD-Generalsekretärin
Andrea Nahles etwa heiratete in einer bewegenden Zeremonie einen
herumstehenden Kunsthistoriker. Auf die Frage nach dem Joa antwortete
die 40-Jährige, zwar befürwortet sie den agesprochenen Bund
auf Lebenszeit ausdrücklich, doch dürfe es ein einfaches
Weiter-so nicht geben. Zugleich sicherte sie ihrer eigenen Ehe
die volle unterstützung der Bundespartei zu uund betonte ...
Hier mussten wir uns aus der Zeremonie ausblenden.

Gänzlich
unberührt von diesen emotionalen Aufwallungen zeigte sich ein
älterer Mann im rosa Dienstanzug. Unsere Redaktion "Minderheiten
und schöne Künste" besuchte ihn morgens in seinem Augsburger
Domizil, wo er nachdenklich seine Pilotenbrille hin und her
drehte. Seine Hand zitterte. Rasch griff er zu der Flasche Chateau
Petrus, die wie immer hinter der Marienstatue stand. "Wenn
das nicht hilft", schmunzelte er, und, wie zu sich selbst:
"Wie sagt mein Arzt zu diesem Zittern? Tremor? Lustig.
Eigentlich haben früher nur die Ministranten gezittert,
wenn sich meine Hand hob. Dabei habe ich sie meistens nur geschüttelt,
nicht gerührt."
Er sang leise
vor sich hin: "Tremor, Tenor, Eigentor. Reimt sich. Muss
ich mir für die nächste Predigt merken." Er nahm einen
tiefen Schluck. "Und wenn dann die Sprache auf das jüngste
Gerücht kommt, werde ich der Gemeinde schon reinleichten,
will sagen heimfeuchten, quatsch. Auch egal. Aber Rosa steht
mir gut, da kann keiner - muss noch einen Schluck."
Es
bestätigt sich also das Schiller'sche Programm für die Romantik,
der Mensch sei nur da Mensch, wo er spielt, trinkt oder verliebte
Gutturale ausstösst. Das beherzigte die nordkoeranische Fussballmannschaft,
die sich in einen wahren Spielrausch hineinsteigerte und mit
staunenswerter Brillanz das eigene Tor berannte. Nach Abpfiff
erklärte man noch Portugal den Krieg und versenkte einige U-Boote
vor Lissabon. Danach ging es zurück in die Stille der Kohleminen.
Auf dem alten Kontinent aber rollt weiter der Ball, die Prinzessin
hat Migräne, ihr Mann vergisst den Müll runterzubringen ud lässt
seine Unterhosen herumliegen. Und der rosa Dienstanzug hat hässliche
Flecken. Rotwein?
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