Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (30. Mai 2010)
 
Carla und ich
 

   In Grossbritannien gab es Mitte der 90er Jahre die Sendung "Eurotrash", die dem Zuschauer mit teuflischem Spass auf die Pelle rückte. "Eurotrash", was soviel heisst wie "Euromist", bot zwei ausgeflippte Franzosen (darunter Jean Paul Gautier) und TV-Ausschnitte aus Europa und der Welt. Deutsche kamen darin nur nackt vor, besonders häufig ums Lagerfeuer tanzende Männer. Ich erzähle das, weil in einer Sendung auch Carla Bruni auftrat, damals noch Supermodel und Italienerin. Ich war damals noch kein Supermodel und kein Italiener, habe die Sendung aber gesehen.

   Carla sagte etwas darüber, wie sie in sieben Sprachen die Männer ins Bett bringen kann und danach Sätze wie "Steck mir den Finger in meinen A..." Eigentlich weiss ich nur, dass sie das sagte, weil das Video diese Woche wieder veröffentlich wurde. Damals war ich nach dem ersten Satz schon high, immerhin hätet ich zu Carla in drei Sprachen sprechen können. "Ich bin schockiert und entsetzt", lässt Carla, inzwischen Französin und First Lady des Landes, jetzt verlauten. Als handle es sich im Video um eine andere Person.

   Ich - noch kein Franzose - finde es gut, sich derart zu distanzieren. Distanz ist so schön intellektuell. Ich habe mich schon so oft von mir selbst distanziert, dass ich gar nicht mehr weiss, wem die Finger gehören, die das gerade tippen. Manchmal distanziere ich mich auch nur partiell. So gehören meine Nase und die platt getretenen Füsse eigentlich gar nicht mir. Im Laufe der Jahre habe ich beim Distanzieren zu einer praktikablen Form gefunden. Ich schreibe zum Beispiel: "Sehr geehrter Herr Gräfe, Sie sind im Grunde ein liebenswürdiger Mensch, aber infolge unserer Koexistenz sind mir doch einige Punkte aufgefallen, die ich als Mängel bezeichnen möchte. Ich bitte Sie höflichst, diese zum Monatsende abzustellen. Andernfalls müsste ich von Ihnen Anstand nehmen."

   Deshalb verstehe ich Madame Sarkozy ganz und gar. Die Sache mit der Video-Carla ist einfach zu lange her. Ihr Mann Nicolas weiss ja auch nicht mehr, dass er einmal Napoleon war. Wüsste er es, es würde ihm wohl gefallen.


 

 

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