Wir sind sauber
Zu Pfingsten verdunkelte
sich der Himmel über Deutschland, weil schwere Qualmwolken aus
den deutschen Gärten aufstiegen. Es roch nach Bratwurst und
Schweinehals, dicke Fruchtfliegen taumelten, betäubt vom verdampfendem
Eiweiss, über den Zierhecken. Der Heilige Geist, dessen Ankunft
sehnlichst erwartet wurde, fand den ihm zugewiesenen Lufthöhenkorridor
nicht und musste umkehren. Am schwärzlichen Firmament zeigte
die Krise erneut ihr hässliches Gesicht. Märkte und Kurse
taumelten, mancher heizte mit dem substanzlosen Depotauszug
seiner Raiffeisenbank den Grill an und weinte, als das Papier
ein letztes Mal zu einem trotzigen Kursfeuerwerk aufloderte.
Doch
es gibt Hoffnung: Der belebende Wind einer neuen Moral weht
durchs Land. Zügellose Raffgier, schäbiges Spekulantentum und
Kleinbetrug bei der Kantinenabrechnung im Büro sind verpönt.
So begannen die deutschen Bankinstitute damit, Bankautomaten
zu installieren, denen die Kreditvermittlung strikt untersagt
ist und die auf Anfrage auch ihren Jahresbonus nennen müssen.
Für jeden Betrag über fünf Euro, den sie herausgeben, wird in
einem phillipinischen Gewächshaus eine Currypflanze gezüchtet.
Viele Autohändler haben ihre Sonnenbrillen freiwillig abgegeben
und sie von einem Audi Q7 schreddern lassen. "Für uns ein
Beitrag zu mehr Transparenz beim Kundengespräch", so Opel-Vertreter
Dragan S., der auch keine Krümel in den Sitzen verstecken will.

Besonders
erfreulich: Auch die grössten Ratingagenturen wie Hornblower,
Fitz, Nuts and Crunch oder Feinstain, Goldberg und Rosenkrantz
schliessen sich an. Die Bonität von Staaten wird künftig unter
notarieller Aufsicht mit dem Würfel ermittelt. Für jede Herabstufung
wird dem Kind eines Schwellenlandes die Ausbildung zum
Hütchenspieler finanziert. Die Politik steht nicht nach: Roland
Koch (siehe Bild) nahm die Forderung nach dem gläsernen Abgeordneten
ernst und wechselte ablösefrei in eine gläserne Anwaltskanzlei.
Beim Aufräumen seines Büros wurden so abscheuliche Dämpfe frei,
dass der Frankfurter Flughafen kurzzeitig gesperrt werden musste.
Doch dann war die Luft klar und frisch.
Damit
nicht genug: Die Ölmultis verpflichteten sich, in ihre Aufsichtsräte
mindestens einen Kranich aufzunehmen und mit ihm gemeinsam täglich
ein Morgengebet zu sprechen. Auch die Deutsche Bahn bekennt
sich zu einer ethischen Unternehmensführung: Die ICE-Türen werden
jetzt an den Haltestellen geöffnet, damit die Passagiere nicht
mehr bis zur Endstation fahren müssen. Aufgemacht wird aber
nur kurz - Pünktlichkeit geht über alles.
Ende
der Woche überflutete die Ethikwelle Deutschland: Fussballer
verletzten sich lieber, als sich dem unbarmherzigen Darwinismus
der WM zu unterwerfen. Jahrelange Fouls werden in Fussballalben
schwarz überklebt. Gärtner zupfen kein Unkraut mehr, Köche lecken
ihre Finger nicht mehr ab, Ärzte bilden sich bis zur Unkenntlichkeit
fort, Priester werden von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
im Antiaggressionstraining unterrichtet. Unsere Redaktion selbst
hat alle schmutzigen Texte aussortiert. Wenn diese Ausgabe also
Lücken hat, wissen Sie warum. Wir sind jetzt sauber.
|