Absolute Leere
Diese Woche lieferte
wieder frappierende Beweise für die Existenz Schwarzer Löcher,
deren Beobachtung oft angezweifelt wurde. Lange Zeit herrschte
über den Ursprung des Begriffs "Schwarzes Loch" Uneinigkeit.
Immer wieder wurden Stammleser dieser Kolumne mit weit aufgerissenen
Schlünden beobachtet, was Hobby-Astronomen zu dem Irrtum verleitete,
die kariösen Verdunklungen mit einem der mysteriösesten galaktischen
Phänomene seit der grausamen Entdeckung von Thomas Gottschalks
Kleiderschrank vor sechzig Jahren zu verwechseln. Wahr ist,
dass die Bezeichnung nicht vom ZDF, sondern von dem deutschen
Schwerkraft-Physiker Helmut Kohl erfunden wurde, wobei sich
schwarz (CDU) sich darauf bezieht, dass dass ein unendlich
tiefes Koalitionsloch ("Saumagen-Theorem") durch
seine extrem hohe Massendichte irgendwann kein gelbes Restlicht
(FDP) ausstrahlt. Als historisch verbürgter Zeitpunkt der Erstbeobachtung
eines gigantischen Schwarzen Loches gilt aber seit einigen Tagen
das einstige fehlberechnete Andocken des griechischen Traumschiffs
"Kenterpreis" an der interstellare Eurostation.

Ein
Schwarzes Loch ist ein gieriges Objekt, das nur eines im Sinn
hat, seinen unglaublichen Appetit nach Energie und Materie zu
stillen. Sein Zentrum ist eine Raum-Zeit-Singularität, das heisst,
dort schrumpfen wie in einem Hedgefonds Zeit und Raum
auf einen schmatzenden mathematischen Punkt zusammen. Sie besitzen
keine Ausdehnung mehr. Es herrscht die absolute Leere. Eine
begehbare Simulation dieses Spar-Kontinuums ist seit dem vergangenen
Wochenende im Labor des Hessischen Landtags zu erleben, wo junge
Besucher im aufgeklappten Schädel von Roland Koch eine
Zukunftsreise in nachtfinstere kinderlose und bildungsferne
Weiten unternehmen können.
Dass es
soweit kommen konnte, wundert allerdings kaum. Die nordrhein-westfälische
Unschärferelation, unser Sonntags-Horoskop, das klaffende Loch
in der Nationalmannschaft und im Golf von Mexiko machen
uns Normalbürger Angst. Wir wollen sie stopfen, nur wissen wir
nicht wie - und ignorieren sie wie die kommende Heizrechnung
nach diesem ausserirdischen Mai. Wir sehnen uns nach Ganzheit,
nicht nach Kratern und Verwerfungen. Wer von uns will schon
akzeptieren, dass die langbeinige Schönheit in der Strassenbahn
in Wahrheit ein gefährlicher Cyborg ist, ein aus gammligen Orangenhautlappen
und Formfleischbatzen zusammengeschmurgelter Klebeschinken?
Wir sehnen die Illusion herbei wie den gesunden Knöchel von
Ballack oder eine Supernova in Oslo. Schwarze Löcher sind für
uns so dämonisch wie wie der Fotospeicher von Jörg Tauss' Diensthandy,
Angela Merkels letzte Mondrede im Bundestag oder das komplex
biomorphe Englisch-Vokabelheft von Günther Oettinger, das Forscher
vom Craig Venter Institute in Rockville nun positiv auf künstliche
Schwarmintelligenz untersucht haben. Ein schwacher Trost.
Was uns bleibt? Sparen, Tee trinken und ein Griff in das Schälchen
mit der knusprigen Mandelbrotmenge. Und falls jemand klingelt,
nicht aufmachen. Es könnte sich um ein irres Schwarzes Loch
handeln.
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