Endlich! Der sibirisch-afghanische
Elendswinter hat kapituliert, und die Natur guckt wieder
wie ein aufgedrehter Kriegsheimkehrer in unser rezessionsbleiches
Angesicht. Gerade wir bienenfleissigen deutschen Vorgartenzwerge
sehnen uns nach der Seelenkälte nach einem Refugium, frohlocken
ob der steigenden Temperaturen. Alles kreucht und fleucht so
munter umher, es schwinden die Sinne. Was am Hals einer unbekannten,
lallenden Sitznachbarin im Biergarten noch einem majestätischen
Schmetterling glich, entpuppt sich am nächsten Morgen nach gründlichem
Betasten und Anpusten als stachelige, raupenartige Riesenwarze.
Überall sieht man es wild spriessen, auf zerklüfteten Autobahnen,
in den Achseln der Kollegen, auf den entblössten Damenschenkeln
in der schwitzenden Schlange vor der Gartencenter-Kasse. Herrlich,
das.
Doch Obacht! Just hier, in der
Landlustabteilung für den Heckengigolo, in dieser erotischen
Sublimierungszone für die besonne Frau ab vierzig, findet
sich in den frisch bestückten Regalen reichlich importiertes
Unkraut und Ziergesträuch von fragwürdiger Qualität. Wer sein
Rindenmulch inniglich liebt, sollte deswegen in diesen aufwühlenden
Zeiten die Augen aufreissen und wissen, in welche tiefen Erdlöcher
er was und wie viel zu verbuddeln gedenkt.
Von
unkultiviertem Drang ist beispielsweise der auf dem südlichen
Balkan beheimatete nimmergrüne Ramsch-Knöterich (Papandreous
erpresserensis), der uns dieser Tage von jedem Marktschreier
kübelweise nachgeworfen wird. Er breitet sich mit rasender Geschwindigkeit
an sonnigen Plätzen aus, auf Grillstellen und in Tavernen. Auffallend
sein seidiges Blätterkleid, gepaart mit einem lockigen Bewuchs,
auch sehen die goldenen Blüten wie funkelnde Rolex-Uhren aus.
Diese Pracht lässt naive Nachtschattengewächse oft schwach werden.
Doch am Ende saugt der faule Bodendecker den anderen Pflänzchen
das Wasser ab, der Garten sieht bald aus wie eine mit EU-Mitteln
finanzierte Baugrube am Stadtrand von Athen.
Oder
die gemeine Kruzifixranunkel (Özkan ministerinensis).
Ein schwer zu integrierender orientalischer Efeu, dessen Drang
bis in die oberen Etagen einzigartig ist. Niedersächsische Gärtner
schätzten die Ranunkel bis vor kurzem, mussten allerdings feststellen,
dass in der Nähe dieses Gewächses, das einen giftigen Saft absondert,
allmählich alle anderen christlich-abendländischen Nachbarwurzeln
zu verfaulen drohen.

Ganz
zu schweigen von der aus dem Osten eingepflegten Trägen Taubnessel,
unter Herbologen auch Schwarze Angela genannt. Diese
als handlungsfähige Problemlöserin getarnte Kohldistel
gilt als anspruchslos und zäh, verströmt aber einen narkotisierenden
Duft, der jedem Hobbygärtner den letzten Willen raubt. Wo sie
ausschlägt, herrschen Schweigen im Wald und kleinfruchtige Depression.
Sie
sehen, liebe Buddler und Wühler, bei aller Frühlingseuphorie:
Die heimische Scholle ist gefährdet! Wer in seinem Garten Eden
sichergehen will, sollte deshalb diese Kolumne in kleine Schnipsel
reissen und an einer windgeschützten Stelle aussäen. Mit ein
wenig Glück und Regen wächst daraus etwas Klügeres, Hoffnungsvolleres. |