Diese Woche an der Fleischtheke.
Zwei Frauen im Disput: "Wenn ich diese Salamis so anschaue
... im historischen Vergleich gab es noch keine Gesellschaft,
die über alle Milieus hinweg einen so ausgewogenen Fettgehalt
hatte." Die andere: "Ach geh, die Gegenüberstellung
von historischen Gesellschaften bringt in der Reduktion
auf die Verfügbarkeit von Wurst gar nix. Hundert Gramm Wildschweinpastete,
bitte." - "Trotzdem hat der generalisierende Vergleichsansatz
Vorteile", so die andere, "nein, lassen Sie das Fett
ruhig dran. Denn eine individualistische Betrachtung verbietet
sich nach meiner Ansicht ..."
Leider
mussten wir an dieser Stelle des Gespräches zur Käsetheke vorrücken.
Doch der Gesprächsfetzen zeigt: Deutschland hat seine
Spitzenposition in der historischen Vergleichswissenschaft behauptet.
Zementiert wurde diese Führungsrolle durch den amtierenden Aussenminister,
der die Epoche spätrömischer Dekadenz ins kollektive
Gedächtnis zurückrief.
Damals, man
weiss es längst, lümmelten Kaiser und Konkubinen in fleckigen
Trainingsanzügen herum, hetzten ihre Hunde auf die Kontrolleure
des Sozialamts und verachteten alle Ansätze produktiver Arbeit,
Damit nicht genug: Der Minister verglich seine eigene Auslandsreise
mit der Entdeckung Brasiliens durch Pedro Álavares Cabral. An
Bord waren damals wie heute alerte und sauber gekleidete junge
Männer. Man vertrieb sich die Zeit an Bord mit Seilhüpfen auf
den Köpfen von Rudersklaven und dem Networking, also der Fischerei.

Ganz
Deutschland überlegt jetzt fieberhaft, mit welchen historischen
Vergleichen man die eigenen Verdienste einordnet. Finanzminister
Schäuble: "Die Höhe unseres Schuldenbergs ist im
historischen Vergleich neidrig, weil er uns nicht den Blick
nach Griechenland versperrt. Hätte ich ein paar Salz- oder Silberminen
wie die alten Kaiser, sähe die Welt ganz anders aus, und im
Vergleich zu anderen grossen Pleitiers der Geschichte fällt
mir gerade kein Name ein." Barbara Rosenkranz, österreichische
Politikerin: "Immer diese Geschichtsdemut! Wo gehobelt
wird, fallen Späne. Verglichen mit dem Dreissigjährigen Krieg
war der Zweite Weltkrieg, also der Abwehrkampf gegen den Bolschewismus,
doch eine Kaffeefahrt mit Gratis-Mehlspeisen. Und 1648 war Europa
zerstört, während wir 1945 immerhin die Autobahn hatten!"
Theo Zwanziger, DFB-Präsident: "Vergleiche mit der guten
alten Zeit, also der Epoche, bevor die Homosexualität erfunden
wurde, lehne ich ab. In unserem Archiv liegen noch Briefe
herum, die so schmutzig sind, dass sie jahrelang in den Umkleidekabinen
mitgeduscht werden mussten." Verteidigungsminister zu Guttenberg:
"In aussichtslosen Situationen hilft immer der Vergleich
mit der Geschichte. Der Alte Fritz hat nach der Schlacht von
Kunersdorf auch nicht kapituliert. Ihm wurden drei Pferde unterm
Hintern weggeschossen, mir nur ein General und ein Staatssekretär."
Die
Beispiele zeigen: Verglichen mit dem Wurstangebot einer
deutschen Fleischtheke war der Gehalt des Vergleichs vergleichsweise
noch nie so hoch. |