Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (07. März 2010)
 

   Deutschland im März 2010: Die Menschen sind nervös, spüren sie doch bei jedem Griff in die Tasche die Hand des Staates, der nach Kleingeld sucht. Nach Recherchen unserer Finanzredaktion laufen die Fäden der bundesweiten Kreditbeschaffung in einem Frankfurter Hinterhofbüro zusammen. Wer dort klingelt, vernimmt eine blecherne Stimme: "Bitte werfen Sie zwei Euro in den Schlitz, und ziehen Sie eine Nummer. Sollten Sie nach 20 Minuten immer noch nicht aufgerufen werden, zahlen Sie erneut zwei Euro. Sollten Sie nach 20 Minuten immer noch nicht aufgerufen werden, zahlen Sie ..." Nach zwei Stunden verschaffen wir uns mit Hilfe eines Credit Default Swaps mit grosser Hebelwirkung gewaltsam Zutritt. Drinnen geht es zu wie in einem Bienenschwarm. Männer in Unterhemden und Trainingsanzügen telefonieren, in der Ecke stapeln sich Geldscheine, Perlen und Jungfrauen.

   Der Bürovorsteher, ein vierschrötiger Mann. blickt hektisch in die Runde: "Wie verkaufen sich die Staatsanleihen?" - "Auf Kaffeefahrten verkloppen wir 20-Jährige an 80-Jährige", schreit es zurück. "Für jede Unterschrift gibt es eine Flasche Johannisbeersaft." - "Und die Altersheime?" - "Die lassen uns nicht rein." - "Dann geht durch den Hintereingang. Und bringt Likör mit. Wie hoch ist heute der Schuldenstand?" - "Auf meinem Rechner nicht mehr darstellbar, ich versuche, im Heizungskeller noch einige Nullen zu finden." - "Und die Schuldenbremse?" - "Kriegen wir nur in einer Billigversion. Sie bremst erst, wenn man gegen die Wand fährt."



   Auf dem Hemd des Bürovorstehers zeigen sich mondgrosse Schwitzflecken. "Was macht die deutsch-griechische Arbeitsgruppe?" - "Die Griechen haben die Akropolis fünfmal verpfändet und regen an, dass wir ähnliches tun." - "Und was, bitte schön, sollen wir verpfänden? Den Stuttgarter Hauptbahnhof?" - "Nun, wir dachten, den Kölner Dom. Solange er noch steht." - "Gut, weitere Vorschläge!" - "Ein Nacktscanner, der erst nach Einwurf von zwei Euro funktioniert. Wenn wir die an allen Flughäfen aufstellen ..." - "Gut. Wie läuft's mit der Vermietung von Politikern an Sponsoren?" - "Prima, alle wollen Minister als Osterhasen."

   Ein Telefon schreit auf. Es ist die mongolische Aussenstelle in Ulan Bator, die den Fund von Resten alter Geldscheine meldet: "Wir klären, ob sie konvertibel sind." - "Prüft nicht lange. Tauscht sie ein, bevor das Zeug verfault. Schaltet mal die Monitore ein." Auf den Bildern sind Gruppen verwahrloster Kinder in Fussgängerzonen zu sehen. "Der da! Warum lässt er die Handtasche nicht einfach mitgehen. Das haben wir dem Gesindel doch gesagt. Betteln alleine ist zu wenig!" Das Bild erlischt. Stattdessen erscheint die Kanzlerin auf dem Schirm. "Ich war heute am Geldautomat. Nichts! Wo bleiben die Überweisungen?" Die Schwitzflecken des Bürovorstehers werden grösser. Merkel schluchzend: "Schickt wenigstens 80 Euro, damit ich meinen Hosenanzug aus der Reinigung holen kann. Mir leiht doch niemand mehr was. Und die Atemsteuer kriege ich mit der FDP nicht durch." - "Wir tun ja alles. Die Zahngoldsammelaktion läuft." Plötzlich Dunkelheit. "Verdammt, die Stromrechnung. Hat noch jemand Kleingeld?"
 

 

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