Das Einschlafen wird auch
immer schwieriger in diesem Land. Neulich wieder. Zählte
erst Schafe, dann Medaillen, am Ende Selbstanzeigen. Stunden
später, im vierstelligen Bereich, schlief ich doch ein und hatte
einen dekadenten Fiebertraum in dieser dunklen Februarnacht.
Ich
träumte, ich sei eingeladen worden. Zu einer wilden Party der
Autorin Helene Hegemann ("Lurchis Abenteuer"), die
schon seit Wochen im angesagten Berliner Hardcore-Feuilletonistentreff
Hirnblähung tobt. Ich ziehe meinen Kajalstrich nach, bitche
mich radikal subjektiv auf und steige in mein tiefergelegtes
Guidomobil: Enen fabrikneuen Porsche Cayenne vom Typ Roadkiller,
dessen Hybridantrieb von 380 vom WInterdienst freigestellten
Langzeitarbeitslosen befeuert wird.
Draussen
vor der Tür - es ist kalt, verdammt authentisch und so was von
verfi**t. Wen kümmert's? Ich gebe Gas, entlocke dem Wohlstandspanzer
eine schrille Synfonie aus soziales Stossseufzern und neoliberalen
Glissandi. Reisse in einer Kurve keckernd die Maastricht-Kriterien
ein. Weiche gnadenlos frisch aufgerissenen Finanzschlaglöchern
aus.
Als ich im Rückspiegel den Maserati
des Chefs der örtlichen Obdachlosenhilfe (siehe Bild) entdecke,
fällt mir "Ben Hur" ein. Sofort fahre ich meinen Ellenbogen
aus und dränge den italienischen Wagen in eine moralisch verwerfliche
Sackgasse ab. Man hört berstendes Metall, Rauchsäulen steigen
auf. Überall riecht es nach spätrömischem Gummiabrieb.

Aus
den Augenwinkeln beobachte ich in der Oranienburger Strasse
eine Horde randalierender Griechen und Lufthansa-Piloten. Mittendrin
im gewerkschaftsnahen Klüngel lungert Jürgen Rüttgers
herum, ein stadtbekannter Dealer. Ich bremse, lasse die Scheibe
herunter, winke ihn herüber. Doch als ich Rüttgers nach dem
Weg frage, schüttelt er bloss seinen Zottelkopf und hält seine
Hand auf. "6000 Euro, sonst kriegst du kein Wort!"
Wütend
brause ich davon und überfahre prompt eine rote Ampel.
Ein bayrisch lallender Gebirgsjäger hält mich auf. Er riecht
nach Alkohol, nach ekligem Exzess. "1,54 Promille",
grunzt er feist, faselt etwas von einer "spätmittelaltelichen
Hexenjagd" im Bundestag. Widerlich. Als Aquaholiker müsste
ich seine Neigung verurteilen, aber ich bekomme plötzlich Mitleid
und mache einfach mal eine Ausnahme. "Du kannst nie tiefer
fallen als in Gottes Hand", predige ich und empfehle eine
Entziehungskur in einem Jesuitenkloster. Völlig entgeistert,
als habe er den Teufel erblickt, tritt er vom Guidomobil und
all seinen Ämtern zurück, macht den Weg frei. Ich fühle mich
besser. Leichter. Vergeben tut so gut.
Endlich
erreiche ich die Hirnblähung. Aber die Party ist aus.
Zu spät. Ein letztes Häuflein entblösster kichernder Literaturkritiker
wärmt sich noch an einem brennenden Bücherberg. Ich sehe noch
einige Plagiate glimmen: Ein quellenloser Käßmann-Raubdruck,
die letzten Exemplare von Peter Scholl-Latours Klassiker "Der
Tod im Reisbeutel" auf Mittelhochdeutsch. Ansonsten: Leere.
Ich
wachte auf. Tupfte mir mit einer Sonntag Aktuell die schwitzige
Stirn ab. Öffnete das Fenster. Ein Hauch von Frühling
war zu spüren. Himmel sei Dank. War alles nur ein verdammt authentischer
Traum. |