Diese Woche in Brüssel:
Ein hagerer, gut gekleideter Mann betritt sein neues Büro. Endlich
allein. Die funktionale Schönheit dieser Arbeitslandschaft überwältigt
ihn. Die Stereoanlage, aus deren Lautsprechern eine gut aufgelegte
Frau "Learning english is easy" singt. Der
sublime Eros der drei Vorzimmerdamen in ihren Satinblusen. DIese
gepolsterten Türen, die jede Form von Gewöhnlichkeit den Eintritt
verwehren. Der Teppich, der die Lederslipper bis zum Knöchel
schluckt. Der Mann schmiegt seine Wange kurz an die Schreibunterlage
aus mundgewalktem philippinischem Mossgummi. Dann wiegt er den
Montblanc-Füller (siehe Bild) in der Hand, der vom Büroservice
täglich befüllt wird, und streichelt zärtlich über jenes Dokument,
in dessen ersten Absatz die Ziffer 19 253 Euro steht. Darunter
das Wort monatlich.
Jetzt aber an die
Arbeit. Er wirft einen Blick in die Unterlagen. Ein bulgarischer
Parlamentarier (750 Euro monatlich) bittet darum, als Aktenfresser
etwas dazuverdienen zu können. Na, warum nicht, murmelt der
Mann und segnet den Vorgang mit einem Montblanc-Federstrich
ab. Dann die neuen Regulierungsaufträge. Die Vereinheitlichung
der Wasserdüsen in europäischen Duschköpfen, die maximalste
Krümmung von Gartenschläuchen in der Eurozone, die Saugfähigkeit
von Slipeinlagen bei minus 20 Grad. Alles really big Ischjus,
denkt der Mann und schweigt bedeutungsvoll. Nichts überstürzen.
Arbeitsessen. Abstimmungen. Gespräche.

Eine
Minute zuvor hatte sich die Bürotür geräuschlos hinter einer
jungen Frau geschlossen. Nettes Ding, diese Logopädin, denkt
der Mann. Und wie sie es geschafft hat, meine Zunge im Zaum
zu halten. Absolut professionell. Sicher, der Anfang war schwer.
Beim Versuch, den Namen der irischen Kommisarin für Forschung,
Máire Geoghegan-Quinn, auszusprechen, verdunkelte sich der Himmel
über Brüssel, und ein leichtes Erdbeben zuckte durch die Gänge
des Berlaymont-Gebäudes. Aber jetzt hilft die Englisch-CD,
die im Begrüssungpaket neben den beiden Flaschen Barroso und
der Drahtbürste mit Perlmuttgriff (für widerspenstiges Haar)
lag. Er spricht konzentriert nach: "What's this? What's
this? A dog, a dog. What's this? What's this? A cat, a cat."
Gar nicht so schwer. A dog, a cat. Hund, Katze. Aber was heisst
Ergänzungsrichtlinie oder Verpackungsverordnung oder "schicken
Sie die Restaurantrechnung an mein Büro"? Dranbleiben.
Er
streckt seine Nase hinaus in den Flur. Totenstille. Und so kühl.
Haben die Ukrainer das Gas abgedreht? Da muss ich mich drum
kümmern. Arbeitsessen. Gespräche. Beschwichtigungen, Kompromisse.
Schnell ein Aktenvermerk: Working Food to serveral Ischjus of
Enertschy with Ukrainian Delegation. Wie aus dem Nichts schwebt
eine Hostess an seine Seite: "Mr. Oettinger, the press
meeting. Wir müssen." - "Ah, yes, I become schnell",
antwortet er. Rasch den Krawattenknoten mit einem Tropfen Epoxydharz
fixiert. Dann tritt der hagere Mann hinaus in das Licht der
Scheinwerfer und sagt mit fester Stimme: "Let me take
place to the following ischjus ..." Sein Montblanc-Füller
funkelt wie ein Michelin-Stern. |