Ein deutscher Wald im Morgengrauen.
Frostig isst es in diesen Tagen (siehe Bild). Zwielichtig wabert
träger Nebel zwischen diesen stummen alten Rinden wie der narkotisierende
Sockendampf im Spind eines KSK-Sonderkommandos. Un über allen
Wipfeln ist Unruh'. Von der Lichtung hört man eine blecherne
Stimme, ein Zählen: "Eins - zwei - drei ..." Ist das
wieder der sparsame Kollege aus dem Nachbarressort, der
sich wie jedes Jahr seine Weihnachtstanne schlägt? Oder ist
es der rülpsende Hänsel, der schon zu dieser frühen Stunde ein
zweites Sixpack Waldbräu wegputzt, während die Gretel von einem
brünftigen Gerd-Fröbe-ähnlichen Förster bedrängt wird? Aber
nein. Wir erkennen auf der Lichtung - tapfer schreitend, das
Kinn jeweils forsch emporgereckt, Rücken an Rücken mit entsichertem
Metall - Generalinspekteur a. Dieu Schneiderhan und - den Baron
der Herzen. "Vier, fünf ..."
Ach,
dieser Wald. Ein urdeutscher Ort der dunkelbraunen Ahnungen
und unehrenhaften Erinnerungen. Rückzugshain für Romantiker
und Duellanten. Eine ausserparlamentarische Position fern
des Hindukusch. Das parallel Aufragende, die maskuline Vertikalität
unser moosverliebten Nation. Es ist ja der hundertfach besungene
Wald der Dichter und Henker, der innerlich höher stimmt. Hier
herrscht noch Ordnung und Richtung. Als würde ein strammes Heer
in Reih und Glied in ein chaotisches Gestrüpp marschieren. Ostwärts.
Dorthin, wo die spärlichen Wälder so kriegsähnlich wuchern wie
diese sinnlosen Protokolle im Angriffsministerium. Papier plappert,
eine Eiche schweigt.
 "Sechs,
sieben ..." Wenn nur nicht dieser Informationsnebel wäre.
Er manipuliert alles, Lüge und Wahrheit, Krieg und Frieden,
Soldat und Minister. Letzterer setzt nun sein bei fränkischen
Landfrauen stets treffsicheres maliziöses Grinsen auf, fährt
sich mit pedikürter Gutsherrenhand noch ein letztes Mal über
seine glänzende Tarnkappe aus kandiertem Dachshaar, CSU-Gleitmittel
und Tanklastöl der Bundeswehr-Hausmarke Kundus Addinol W18 (beste
Korrosionsschutzeingenschaften, hitzebständig, linksresistent),
und flüstert für sich: "Adel schafft Krisen, Krise schafft
Adel. Schneiderhan, jetzt gilt's: Ehre, wem Ehre gebührt."
Doch
dann fällt ein Schuss. Zu früh, aus dem Hinterhalt, ohne Rücksicht
auf bayrische Zivilisten. Der Baron wankt, wirft sich um, blinzelt
durch die beschlagene Brille und entdeckt - nichts. Wo ist Schneiderhan?
Überall nur Rauch und Nebel, nichts als Nebel. Nicht einmal
der Sekundantist mehr zu sehen, ein gut informierter Reporter
der "Bild". Der BAron taumelt, brüllt in die feuchte
Wand: "Dieser Schuftanschlag war militärisch nicht angemessen."
Blaues Blut malt etwas in den Schnee. Ist das Afghanistan? Oder
die Telefonnummer irgendeiner blonden Freifrau? Er weiss
es nicht. In Sekunden flirren vor seinem inneren Auge Schemen
aus der behüteten Kindheit vorüber. Wie schön das war. Die vielen
Stunden vor dem Spiegel. Das Auswendigpauken seiner vielen Vornamen.
Das mühevolle Büffeln für das kleine Gebirgsjäger-Latinum. Der
erste Kuss von Onkel Seehofer. Das lustige Herr-und-Knecht-Spielen
mit den schmuddeligen Opel-Jungs. Doch nun war er erwachsen
geworden, war plötzlich allein. Er blutet, mein Gott. Ein Unteroffizier
und Gentlemen, einsam im dunklen, deutschen Wald. "Acht,
neun ..." |