Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (13. Dezember 2009)
 

   Frühsommer 2010: Die Welt blickt nach Stuttgart. Die ersten Probebohrungen zum Bau des tiefergelegten Rallyebahnhofs Stuttgart 21 bringen ungeahnte historische Schätze ans Tageslicht (siehe Bild). Unweit der unteren Schlossgartenanlagen wurde in 328 Meter Tiefe eine Zahnspange gefunden, die mutmasslich Richard von Weizsäcker einst auf dem Schulweg gegen ein Leberwurstweckle eingetauscht hatte. Nicht weit davon entfernt stiessen die Bohrer auf hartledrige Gewebereste des seit 1972 vermissten Karl-Otto H. Der als "Underberg-Charly" stadtbekannte Trinker wurde zuletzt am 11. März 1972 an der Kasse einer Nanz-Filiale gesehen, als er mit Monopolygeld ein Gebinde Schinkenhäger bezahlen wollte. Danach verlor sich jede Spur, die Polizei schloss die Akte am 14. März 1972.

   Archäologen aus der ganzen Welt versuchen angesichts der ersten Sensationsfunde den Stuttgarter Boden unter internationalen Schutz stellen zu lassen. Man erhofft sich Spuren von dem um 1645 verschwundenen Waldholzbrett, auf dem Maria Steggle aus Feuerbach kurz zuvor die ersten schwäbischen Frischeispätzle geschabt haben soll. In der Nähe des vermuteten Fundorts wurden allerdings bisher nur mumifizierte Reste mittelalterlicher Rindswürste und ein Ford Taunus Baujahr 1965 gefunden, in dessen Kofferraum sich ein lieblos in Beton eingegossener männlicher Torso befand. Der Fund dürfte historisch weniger interessant sein, da der Ford in grosser Stückzahl produziert worden ist. Würste dieser Machart werden heute noch unter dem Namen Jambalaya in guten Restaurants angeboten.


   Die historische Wucht der Ausgrabungen beschert Stuttgart zwar globales Ansehen, aber auch finanzielle Probleme, da nur sehr langsam gebohrt werden kann, um andere Schätze nicht zu zerstören. Zudem gab es einen gewaltigen Wassereinbruch. Spezialisten fanden heraus, dass unweit der geplanten Tunnelröhre ein Fluss durch die Stadt fliesst, von dessen Existenz kein Ingenieur gewusst haben will. Der versehentliche Tiefenanstich des Neckars wird das Projekt von 4,4 auf etwa 23,1 Milliarden Euro verteuern, da der blöde Fluss etwa acht Kilometer verlegt werden muss. Erste Klagen dagegen sind bereits anhängig. Bis der erste Zug trocken durch Stuttgarts Erde röhren kann, rehnet man jetzt mit dem Jahr 2045.

   Unabhängig davon arbeit Ministerpräsident Stefan Mappus seit Wochen an seiner Bahnhofsrede, die er im Juni 2010 bei der Eröffnung einer Kindertagesstätte in Degerloch halten will. Unserer Redaktion liegen bereits erste Textbausteine vor. "Liebe Kinder, stellt euch vor, ihr steigt in Stuttgart in einen Zug, und der fliegt dann praktisch schon. Unterirdisch sozusagen. Damit rückt Stuttgart näher an Echterdingen und Paris. Ihr könnt also, praktisch sozusagen, von zu Hause direkt in die Welt oder nach Baden-Württemberg. Damit fliegt ihr schon vom Hauptbahnhof los, mit Gepäck und unterirdisch, also nicht über München. Stuttgart-Nahgold, alles ratzfatz, und das auch noch im Tunnel."

   So weit die uns vorliegenden Textentwürfe. Mappus wird aber auch noch einen sensationellen Grabungsfund präsentieren. Laut unseren Informationen handelt es sich dabei um einen kariösen Backenzahn von Friedrich Schiller, den der Dichter bei einer Schlägerei um die Gunst einer Krautmagd auf den Fildern eingebüsst hat und der nun unterhalb der Planie gefunden wurde. Durch nötige Untersuchungen über die Wanderungen der Erdkruste verzögert sich das Projekt um weitere 20 Jahre. So lange wird vom alten Bahnhof aus geflogen.
 

 

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