Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (22. November 2009)
 

   Rolfmann B. Hägenmurg schreckt schlagartig auf aus unruhigem Schlaf. Er fühlt sich merkwürdig. Trockener Mund, ein unangenehmes Kratzen im Hals. Sein Pyjama aus edelster Pashmina-Wolle von Bergziegen aus dem Himalaja ist leicht feucht und riecht säuerlich nach altem Mann. Schweinegrippe, denkt Hägenmurg, verdammt! Missmutig sieht er vor seinem geistigen Auge Legionen von kopulierenden H1N1-Viren in seinem Blut, die nach dem Akt platzen, Millionen neuer Vieren ausstossen, die sich dann sofort wieder vereinigen. Die Viecher sehen aus wie Franz Josef Strauss.

   Hägenmurg öffnet langsam die Augen, seine rechte Hand tastet nach seiner mit seltenen Tiefseemuscheln beschlagene Drogen-Schatulle. Gegen die Strauss-Bilder nimmt er vier sehr starke Seroninwiederaufnahmehemmer, zur Abwehr der Schweinegrippe eine Handvoll Tamiflu und eine Grosswilddosis Vitamin C - man weiss ja nie. Gegen den Geruch findet er nichts, obwohl die Schatulle gross ist. Drecksvirus, denkt er, und wie das schon heisst. So wahr ich B. wie Bernfried Punkt heisse, mir wäre da was anderes eingefallen. "Global Killer Generation two" zum Beispiel.

   Er hört ein leises Röcheln neben sich. Mühsam dreht Hägenmurg sich um, entdeckt eine schlafende Frau. Er meint seine aktuelle Gattin zu erkennen, weiss aber nicht genau, ob es stimmt und ob es nun die vierte oder fünfte ist. Mein Gott, wie heisst sie doch gleich? Ramona, Chantal, Freihild? Er kommt nicht drauf. Egal, es ist sowieso Zeit für was neues, denkt er; wenn die Weiber anfangen zu schnarchen, ist es vorbei.

   Der freiberufliche Politikberater und Lobbyist öffnet mittels eines Multifunktionspanels die Goldjalousie seines City-Lofts um ein paar Zentimeter. Sein Blick fällt hinunter auf die Fussgängerzone, die voll ist von glücklichen Familien, die die ersten überteuerten Nordmanntannen (siehe Bild), Christstollen und Dominosteine fürs Fest nach Hause schleppen. Na also, denkt Hägemurg, der Laden läuft. Noch heute würde er dem Kanzleramt seine bescheidene Kostennote schicken und danach zum Shoppen nach Mailand jetten.


   Hägenmurg fühlt einen leichten Druck im Oberbauch, er muss aufstossen. In den säuerlichen Geruch mischt sich eine Spur von Schubecks Blaukrautgewürzmischung. Er erinnert sich: Gestern auf Schloss Meseberg, Gansessen mit der Regierung, dazu jede Menge israelischer Rotwein. Aber den hatte er sich auch verdient, sein Konzept greift schliesslich. Dabei ist es so einfach, denkt er. Man muss der Nation nur einreden, dass es ihr schlecht geht. Dann jubeln sie schon, wenn man sie am Leben lässt und reagieren euphorisch auf Peanuts wie 20 Euro mehr Kindergeld und ein paar Steuergroschen. Die verjubeln sie im Unverstand für für Flachbildschirme, Spielkonsolen oder Handys ohne Tasten, und wir könne in Ruhe am grossen Rad drehen. Dafür halte ich auch zwei Tage mit Angie, diesem Westerwelle und der anderen Bagage aus. Die Frau in seinem Bett schnarcht lauter - wie heisst sie noch gleich? Marlene, Helga, Salima?

   Egal denkt Hägenmurg, ihn fröstelt. Sein hyperelektronisches Fieberthermometer von Dolce und Wolsche aus Neuruppin misst 37,89134 Grad im Ohr. Verdammte Schweinegrippe, ärgert er sich und nimmt noch eine gute Handvoll Paracetamol. Aber egal, sein Job ist getan, die Regierung auf dem gewünschten Kurs, und sie haben es noch nicht einmal bemerkt. Hägenmurg beglückwünscht sich zu der Idee, die Klausur unter das Motto "Wir lieben uns alle" gestellt zu haben. Und als das Kabinett zum Abschied geschlossen "Grosser Gott, wir loben dich" schmetterte, war ihm klar - das Ding ist gelaufen. Wenn die Regierung feiert wie Pfadfínder, warst du gut. Neben seinem Tagessatz von fünf Riesen aus Steuermitteln würde ihm das namenslose Industrie-Kartell, für das er hauptsächlich arbeitete, nochmals das Doppelte geben. Hägenmurg weiss nicht so genau, wer sein Auftraggeber ist, aber es lohnt sich. Sein Geld bekommt er immer in Genf, in bar und von einer kleinen Asiatin mit Trommelrevolver.

   Hägenmurg dreht sich wieder zu der Frau um. Herrgott noch mal, Teufel Alkohol, denkt er. Theresa, Alexa, Klara? Er fühlt etwas Nasses unter der Decke und findet eine Flasche geöffneten Rotwein, daher der Geruch. Doch keine Schweinegrippe. Hägenmurg knautscht sein Eiderdaunenkissen zurecht und schläft weiter.
 

 

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