Rolfmann B. Hägenmurg schreckt
schlagartig auf aus unruhigem Schlaf. Er fühlt sich merkwürdig.
Trockener Mund, ein unangenehmes Kratzen im Hals. Sein Pyjama
aus edelster Pashmina-Wolle von Bergziegen aus dem Himalaja
ist leicht feucht und riecht säuerlich nach altem Mann. Schweinegrippe,
denkt Hägenmurg, verdammt! Missmutig sieht er vor seinem geistigen
Auge Legionen von kopulierenden H1N1-Viren in seinem Blut, die
nach dem Akt platzen, Millionen neuer Vieren ausstossen, die
sich dann sofort wieder vereinigen. Die Viecher sehen aus wie
Franz Josef Strauss.
Hägenmurg öffnet
langsam die Augen, seine rechte Hand tastet nach seiner mit
seltenen Tiefseemuscheln beschlagene Drogen-Schatulle. Gegen
die Strauss-Bilder nimmt er vier sehr starke Seroninwiederaufnahmehemmer,
zur Abwehr der Schweinegrippe eine Handvoll Tamiflu und eine
Grosswilddosis Vitamin C - man weiss ja nie. Gegen den Geruch
findet er nichts, obwohl die Schatulle gross ist. Drecksvirus,
denkt er, und wie das schon heisst. So wahr ich B. wie Bernfried
Punkt heisse, mir wäre da was anderes eingefallen. "Global
Killer Generation two" zum Beispiel.
Er
hört ein leises Röcheln neben sich. Mühsam dreht Hägenmurg sich
um, entdeckt eine schlafende Frau. Er meint seine aktuelle Gattin
zu erkennen, weiss aber nicht genau, ob es stimmt und ob es
nun die vierte oder fünfte ist. Mein Gott, wie heisst sie doch
gleich? Ramona, Chantal, Freihild? Er kommt nicht drauf. Egal,
es ist sowieso Zeit für was neues, denkt er; wenn die
Weiber anfangen zu schnarchen, ist es vorbei.
Der
freiberufliche Politikberater und Lobbyist öffnet mittels eines
Multifunktionspanels die Goldjalousie seines City-Lofts
um ein paar Zentimeter. Sein Blick fällt hinunter auf die Fussgängerzone,
die voll ist von glücklichen Familien, die die ersten überteuerten
Nordmanntannen (siehe Bild), Christstollen und Dominosteine
fürs Fest nach Hause schleppen. Na also, denkt Hägemurg, der
Laden läuft. Noch heute würde er dem Kanzleramt seine bescheidene
Kostennote schicken und danach zum Shoppen nach Mailand jetten.
 Hägenmurg
fühlt einen leichten Druck im Oberbauch, er muss aufstossen.
In den säuerlichen Geruch mischt sich eine Spur von Schubecks
Blaukrautgewürzmischung. Er erinnert sich: Gestern auf Schloss
Meseberg, Gansessen mit der Regierung, dazu jede Menge israelischer
Rotwein. Aber den hatte er sich auch verdient, sein Konzept
greift schliesslich. Dabei ist es so einfach, denkt er. Man
muss der Nation nur einreden, dass es ihr schlecht geht. Dann
jubeln sie schon, wenn man sie am Leben lässt und reagieren
euphorisch auf Peanuts wie 20 Euro mehr Kindergeld und ein paar
Steuergroschen. Die verjubeln sie im Unverstand für für Flachbildschirme,
Spielkonsolen oder Handys ohne Tasten, und wir könne in Ruhe
am grossen Rad drehen. Dafür halte ich auch zwei Tage mit
Angie, diesem Westerwelle und der anderen Bagage aus. Die Frau
in seinem Bett schnarcht lauter - wie heisst sie noch gleich?
Marlene, Helga, Salima?
Egal denkt
Hägenmurg, ihn fröstelt. Sein hyperelektronisches Fieberthermometer
von Dolce und Wolsche aus Neuruppin misst 37,89134 Grad im Ohr.
Verdammte Schweinegrippe, ärgert er sich und nimmt noch eine
gute Handvoll Paracetamol. Aber egal, sein Job ist getan,
die Regierung auf dem gewünschten Kurs, und sie haben es noch
nicht einmal bemerkt. Hägenmurg beglückwünscht sich zu der Idee,
die Klausur unter das Motto "Wir lieben uns alle"
gestellt zu haben. Und als das Kabinett zum Abschied geschlossen
"Grosser Gott, wir loben dich" schmetterte, war ihm
klar - das Ding ist gelaufen. Wenn die Regierung feiert wie
Pfadfínder, warst du gut. Neben seinem Tagessatz von fünf Riesen
aus Steuermitteln würde ihm das namenslose Industrie-Kartell,
für das er hauptsächlich arbeitete, nochmals das Doppelte geben.
Hägenmurg weiss nicht so genau, wer sein Auftraggeber ist, aber
es lohnt sich. Sein Geld bekommt er immer in Genf, in bar und
von einer kleinen Asiatin mit Trommelrevolver.
Hägenmurg
dreht sich wieder zu der Frau um. Herrgott noch mal, Teufel
Alkohol, denkt er. Theresa, Alexa, Klara? Er fühlt etwas
Nasses unter der Decke und findet eine Flasche geöffneten Rotwein,
daher der Geruch. Doch keine Schweinegrippe. Hägenmurg knautscht
sein Eiderdaunenkissen zurecht und schläft weiter. |