Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (01. November 2009)
 

   November! Grauenhaft, düster, verseucht mit Legionen ekliger Schweinegrippe-Viren. Nur in den Herzen ältlicher Kavaliere macht sich Dank des Romy-Schneider-Films eine Restwärme breit. Aber nur bei denen. Draussen rosten die Bäume weiter stur vor sich hin, das Leben wirkt karg, nur aus der Villa Reitzenstein dringt güldenes, ja nahezu fröhliches Licht. Günther Hermann Oettinger steht zufrieden auf seinem Bürostuhl und spricht mit eleganter Geste zu einem Wandspiegel (feines Yoga-Kreisen des rechten Arms mit nach innen gedrehter Handfläche). "Je cherche une villa exclusive sans nettoyage hebdomadaire obligatoire", schnarrt er, was wie "Sche-schersch-ün-ville-exclusiv-grmpfrrrr" klingt und "Ich suche eine repräsentative Villa ohne Kehrwoche" heisst. Zumindestens ungefähr.

   Der Wechsel nach Brissl, Entschuldigung: Brüssel, belebt den eh schon umtriebigen Christdemokraten ungemein. "Je vais déjeuner entre 11 et 19 heures" jubelt er, was klangmässig leider unbeschreibbar ist und sowas wie "Mittagpause von 11 bis 19 Uhr" heisst. Der Ministerpräsident in Auflösung ist dermassen fröhlich, dass er einem seiner tieftraurigen Assistenten zum Dank für seine selbstlose jahrelange Rückgabe der Pfandflaschen einen generalüberholten Panzerspähwagen "Hubertus", ein Gebinde Haarlack und ein hübsches Ladifundium im schönen Schwäbischen Wald schenkt. "Nehmet se no", sagt er joval, was wie "Nehmetsen" klingt.

   In den Bäumen des Parks der Villa Reitzenstein sitzen grosse, schwarze Vögel und hoffen angesichts des Novembers auf einen raschen Tod. Drinnen flitzt Günther Hermann Oettinger wieselig mit einer europäischen Fahne um seinen Schreibtisch und muntert seinen herbstlich-grauen Stab auf. "Der Mappus", so der künftige Kommissar, "ist auch sowas Ähnliches wie ein Mensch." Ausserdem sei es gut, wenn der November eher trüb sei. Denn: "November hell und klar bringt Übel für das nächste Jahr - alte Bauernregel", sagt Oettinger. Seine Mitarbeiter schweigen.

   Bevor er seinen Schreibtisch ausräumt (vier Büroklammern, eine Fliegenklatsche, ein Briefle Weisswurstsenf aus der Kantine und das "Kicker"-Sonderheft), weist er noch an, dass es ein rauschendes Abschiedsfest geben soll. So mit allem - Oettinger ordert ein feuchtwarmes Büffet, Weine aus Ditzingen und für das Beiprogramm die Jacobs Sisters (siehe Bild). Die Kosten seien egal, sein neues Gehalt schliesslich besser als das von Kanzlerin Ang'la. Oettinger streicht versonnen über eine Filbinger-Büste aus ganz hartem Holz und sagt: "Laden sie auch den Kommissar Bienzle aus dem Fernsäh ein, wir sind ja jetzt so was wie Kollegen."


   Ein Mitglied seines Stabs erklärt ihm, dass der Titel EU-Kommisar sozusagen Umgangssprache sein, er sich künftig korrekt "Mitglied der Europäischen Kommission" nennen dürfe und vielleicht auch Vizepräsident, weil das der Verheugen auch ist. Diese Neuigkeit verblüfft den Noch-MP ein wenig, verdirbt ihm aber nicht die Laune, "Ich mache also wieder Politik?", fragt er. Der Stab nickt geschlossen.

   Damit hat er zwar nicht gerechnet, aber was soll's. "O.k., mach ich, das neue Credo habt ihr in einer halben Stunde", sagt Günther H. und schliesst sich in die schusssichere Denkerzelle der Villa ein. In der Kabine verströmt eine Lampe ein Duftgemisch aus Eisenkraut, Minze und mittelalten Maultaschen. Kurz darauf steht Oettinger wieder fröhlich auf dem Stuhl und spricht zum Spiegel: "Au niveau européen, économie veut dire non seulement économie mais aussi économie", schlürnzt er und strahlt. Einer aus dem Stab murmelt betroffen: "Tschuldigung Chef - wenn ich richtig verstanden habe, sagten sie: Ökonomie heisst auf europäischer Ebene nicht nur Ökonomie, sondern auch Ökonomie."

   "Genau", sagt der MP, "und das twittern Sie jetzt raus, und dann rufen Sie die Jacob Sisters an." Der November kann so schön sein.
 

 

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