November! Grauenhaft, düster,
verseucht mit Legionen ekliger Schweinegrippe-Viren. Nur in
den Herzen ältlicher Kavaliere macht sich Dank des Romy-Schneider-Films
eine Restwärme breit. Aber nur bei denen. Draussen rosten die
Bäume weiter stur vor sich hin, das Leben wirkt karg, nur aus
der Villa Reitzenstein dringt güldenes, ja nahezu fröhliches
Licht. Günther Hermann Oettinger steht zufrieden auf seinem
Bürostuhl und spricht mit eleganter Geste zu einem Wandspiegel
(feines Yoga-Kreisen des rechten Arms mit nach innen gedrehter
Handfläche). "Je cherche une villa exclusive sans nettoyage
hebdomadaire obligatoire", schnarrt er, was wie "Sche-schersch-ün-ville-exclusiv-grmpfrrrr"
klingt und "Ich suche eine repräsentative Villa ohne Kehrwoche"
heisst. Zumindestens ungefähr.
Der
Wechsel nach Brissl, Entschuldigung: Brüssel, belebt den eh
schon umtriebigen Christdemokraten ungemein. "Je vais déjeuner
entre 11 et 19 heures" jubelt er, was klangmässig leider
unbeschreibbar ist und sowas wie "Mittagpause von 11 bis
19 Uhr" heisst. Der Ministerpräsident in Auflösung ist
dermassen fröhlich, dass er einem seiner tieftraurigen Assistenten
zum Dank für seine selbstlose jahrelange Rückgabe der Pfandflaschen
einen generalüberholten Panzerspähwagen "Hubertus",
ein Gebinde Haarlack und ein hübsches Ladifundium im schönen
Schwäbischen Wald schenkt. "Nehmet se no", sagt er
joval, was wie "Nehmetsen" klingt.
In
den Bäumen des Parks der Villa Reitzenstein sitzen grosse, schwarze
Vögel und hoffen angesichts des Novembers auf einen raschen
Tod. Drinnen flitzt Günther Hermann Oettinger wieselig mit einer
europäischen Fahne um seinen Schreibtisch und muntert seinen
herbstlich-grauen Stab auf. "Der Mappus", so der künftige
Kommissar, "ist auch sowas Ähnliches wie ein Mensch."
Ausserdem sei es gut, wenn der November eher trüb sei. Denn:
"November hell und klar bringt Übel für das nächste
Jahr - alte Bauernregel", sagt Oettinger. Seine Mitarbeiter
schweigen.
Bevor er seinen Schreibtisch
ausräumt (vier Büroklammern, eine Fliegenklatsche, ein Briefle
Weisswurstsenf aus der Kantine und das "Kicker"-Sonderheft),
weist er noch an, dass es ein rauschendes Abschiedsfest geben
soll. So mit allem - Oettinger ordert ein feuchtwarmes Büffet,
Weine aus Ditzingen und für das Beiprogramm die Jacobs Sisters
(siehe Bild). Die Kosten seien egal, sein neues Gehalt schliesslich
besser als das von Kanzlerin Ang'la. Oettinger streicht versonnen
über eine Filbinger-Büste aus ganz hartem Holz und sagt:
"Laden sie auch den Kommissar Bienzle aus dem Fernsäh ein,
wir sind ja jetzt so was wie Kollegen."
 Ein
Mitglied seines Stabs erklärt ihm, dass der Titel EU-Kommisar
sozusagen Umgangssprache sein, er sich künftig korrekt "Mitglied
der Europäischen Kommission" nennen dürfe und vielleicht
auch Vizepräsident, weil das der Verheugen auch ist. Diese
Neuigkeit verblüfft den Noch-MP ein wenig, verdirbt ihm aber
nicht die Laune, "Ich mache also wieder Politik?",
fragt er. Der Stab nickt geschlossen.
Damit
hat er zwar nicht gerechnet, aber was soll's. "O.k., mach
ich, das neue Credo habt ihr in einer halben Stunde",
sagt Günther H. und schliesst sich in die schusssichere Denkerzelle
der Villa ein. In der Kabine verströmt eine Lampe ein Duftgemisch
aus Eisenkraut, Minze und mittelalten Maultaschen. Kurz
darauf steht Oettinger wieder fröhlich auf dem Stuhl und spricht
zum Spiegel: "Au niveau européen, économie veut dire non
seulement économie mais aussi économie", schlürnzt er und
strahlt. Einer aus dem Stab murmelt betroffen: "Tschuldigung
Chef - wenn ich richtig verstanden habe, sagten sie: Ökonomie
heisst auf europäischer Ebene nicht nur Ökonomie, sondern auch
Ökonomie."
"Genau",
sagt der MP, "und das twittern Sie jetzt raus, und
dann rufen Sie die Jacob Sisters an." Der November kann
so schön sein. |