Diese Woche richteten sich
die Blicke der Welt nach Fürth in Franken, wo die letzten beiden
Kunden der Firma Quelle im Zuge einer Life-Übertragung im Katalog
blätterten und nach zwei Stunden tatsächlich eine Bestellung
abgaben, die eilends per Boten ausgeliefert wurde. Damit ist
das Versandhaus aus den Gröbsten heraus. Uns gibt das Gelegenheit,
noch einmal die Verdienste von Quelle für die kulturelle und
gesellschaftliche Entwicklung Nachkriegsdeutschlands zu würdigen.
Der Quelle-Katalog gilt als die Magna Charta des Nachkriegskonsums
und hat schon viele Exegeten magisch angezogen. Dennoch weigerte
er sich bis heute, die letzten Rätsel preiszugeben.
Unsere
Wissenschaftsredaktion kommt in ihrer Auswertung des Quelle-Gesamtwerks
2009 zu überraschenden Schlüssen. So wird der Betrachter auf
den ersten Seiten empfangen von einer Familie Wurdinger, die,
so heisst es verheissungsvoll, ihm alle Wünsche erfüllen wird.
Dieses Verheissungsmotiv ist biblisch begründet und verweist
auf das Alte Testament, in dem Rebekka zu weiblichen Trägerin
der Gottesverheissung wird. Allerdings ist unklar, ob die blonde
Frau Wurdinger auf dem Foto mit Vornamen Rebekka heisst. Die
Seiten 19 folgende sind noch nicht völlig entschlüsselt. Dort
wird auf Outfits mit dem "Flair des Big Apple" verwiesen,
auf "Glam Rocks" und einen mysteriösen "Trench",
der als "must be" bezeichnet wird. Viele Quelle-Kunden
sind ja notorisch klamm, weshalb sie ein glammer Rock
interessieren könnte, aber warum sollten sie einen grossen Apfel
bestellen? Unter dem Akronym "y.o.u." versammeln sich
junge Mädchen mit gewaltigen Ohrringen, deren Credo lautet:
"Retro hat jetzt richtig Power." Aber wer ist Retro?
Der uneheliche Sohn vom alten Wurdinger? Wer im Buch der
Bücher (siehe Bild) weiterblättert, findet "Mode bis
Grösse 54", die der alten indischen Volksweisheit gehorcht:
"Du sollst Frauen achten, die einen gewaltigen Schatten
werfen."
 An
diesem Punkt der Exegese waren viele unserer Wissenschaftler
vor Erschöpfung vom Schlaf übermannt worden. Hätten sie doch
durchgehalten! So versäumten sie die "Akzente in Lila"
auf Seite 140, die allerdings in der Vergangenheit bei vielen
Quelle-Kunden zu Augenreizungen führten. Wenig später versammeln
sich - dramaturgisch verdichtet - Schmuck und Schuhe in einer
Art Massenchoreografie. Von Seite 482 betreten herrenlose
Jeans die Quelle-Bühne. In geschuppter Anordnung harren
sie der Fleischlichkeit. Auf Seite 610 bahnt sich eine Sensation
an: Die "Brühlhose, strecht-elastisch mit Dehnbund"
wird jetzt auch mit einem Lederimitat-Gürtel ausgeliefert! Gerüchte,
dies sei nur möglich, weil sie in einem nordkoreanischen Kinderarbeitslager
gefertigt werde, konnten bisher nicht verifiziert werden. Wenig
später feiert Trevira, die Göttin der Elastik, eine Renaissance.
Trevira-Männer schafften es in den Fünfzigern bis in hohe Staatsämter
und begründeten den deutschen Nimbus einer bügelfreien Nation
mit unbefleckter Vergangenheit.
Auf
Seite 720 gebärdet sich Bettwäsche nicht nur als "Seersucker",
sondern als "Super-Soft-Seersucker". Wir wissen aber
nicht, warum. Gewebe aus Polyacryl, Nylon, und Elastan verbinden
sich zu Sofas. Die Nutzung dieser Erdölderivate reicht zurrück
bis ins Jahr 1943, als die Wehrmacht die Ölfelder von
Baku ins Visier nahm, um nach dem Endsieg den Binnenkonsum im
Reich mit Ölsofas anzukurbeln. Nürnberg ist ja nicht weit. Rätselhaft
die Seite 914: Ein Einkaufsroller mit Kühlfach. Aber wofür?
Um ein Wiener Schnitzel von Kaufland ins Seniorenheim zu transportieren?
Dorthin also, wo viele Kunden ihre letzte Bleibe im "Quelle-Landhausstil"
eingerichtet haben. Der Landhausstil war lange verpönt, nachdem
die Ornamentverächter der 69er-Generation Landhäuser fränkischer
Unternehmer gebrandschatzt hatten. Doch die unschuldige Anmut
bestickter Gardinen und bespannter Holzlampen obsiegte über
dem Brutalismus der Rechteckfanatiker. Weiteres Mobilar stammt
von einem gewissen "Casamaxx", nach unseren Recherchen
ein italienischer Causeur und Frauenheld, der seine zweifelhaften
Affären meist in elektrisch betriebenen Lehnsesseln und schwülstigen
Brokatbetten auslebte. Wie sein Name es in den Quelle-Katalog
geschafft hat, ist offen.
Nach 1350
Seiten Text- und Bildexegese ist die Wissenschaftsredaktion
stark dezimiert. Von Wurdingers fehlt jede Spur. Was geschah
in Fürth? Genauen Aufschluss werden nur Ausgrabungen bringen.
Wir sind schon unterwegs. |