Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (27. September 2009)
 
Wallraffen

   Haben Sie heute schon in den Spiegel geschaut? Sind Sie sicher, dass Sie das waren, den Sie da gesehen haben? Ich wäre mir da nicht so sicher. Könnte gut sein, dass es Günter Wallraff war.

   Kenn Sie Günter Wallraff? Falls nicht, auch egal. Der Undercover-Journalist kennt sich selbst nicht, ist er doch ständig damit beschäftigt, sich zu verkleiden und abzutauchen. Das Letzte, was ich von ihm gelesen habe, war ein Artikel im "Zeit"-Magazin. Es handelte davon, wwie sich Wallraff als Brötchen verkleidet bei einer Firma im Hunsrück eingenistet hat, in der Lidl Backwaren herstellen lässt. Es las sich wie trocken Brot.

   Nach dem Brötchen-Coup war es ruhig geworden um den Rechercheur. Dies konnte nur eines bedeuten: Nichts Gutes. Wie nun bekannt wurde, war Wallraff ein Jahr lang als Somalier unterwegs, um den "alltäglichen Rassismus in Deutschland" zu dokumentieren. Dies erzählte diese Woche Wallraffs schwedischer Biograf Stig Hansén auf der Göteborger Buchmesse. Falls Sie sich wundern, dass der Kölner Wallraff einen skandinavischen Biograf hat. Nun, der Mann ist in Skandinavien sehr populär. Seine Arbeitsweise heisst auf Schwedisch wallraffen, nicht zu verwechseln mit dem norwegischen Walraffen.

   Wallraffer Wallraff sagte zu der Somaliergeschichte nur so viel: "Man sollte sich jedem Schwarzen gegenüber freundlich und menschlich verhalten - es könnte ja ich sein." Eine kühne Behauptung. Es wäre ja denkbar, dass Menschen mit dunkler Hautfarbe nun Repressalien ausgesetzt sind, weil man sie für Günter Wallraff hält.

   Reichlich Aufsehen hat auch das Video einer vollbusigen Schönheit erregt, die sich auf dem Rasen vor dem Reichstag räkelt und eine gesungene Liebeserklärung an Frank-Walter Steinmeier abgibt. Wer sich hinter "Steini-Girl" verbirgt, ist unklar. Wallraff dementierte nicht.

   Und Sie, liebe Leser, die ma Sonntag zur Wahl gehen. Denken Sie daran: Man kann nie sicher sein, wem man seine Stimme gibt. Im Zweifel macht man sich zum Wahlaffen.
 

 

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