Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (20. September 2009)
 

   Neulich an der Fleischtheke: Zwei Hausfrauen unterhalten sich gestenreich (siehe Bild): "Wenn ich mir die steuerpolitischen Pläne der Parteien so anschaue, ein Albtraum! Die einen verteilen um, die anderen ..." - "Moment", ruft die andere. "Schliesslich hat schon das Verfassungsgericht das Gebot der Steuergerechtigkeit bestätigt." - "Gerechtigkeit", so die andere bitter. "Nicht mal den Tobin-Tax haben sie eingeführt, um diese Spekualanten zu zähmen." - "Hör doch auf", so die Gesprächspartnerin, "die Spekulationssteuer ist verfassungswidrig, weil durch ein strukturelles Vollzugsdefizit die gleichmässige Anwendung des geltenden Rechts auf alle steuerlich relevanten Sachverhalte nicht gewährleistet war. Geben Sie mir bitte 230 Gramm vom Fleischkäse, bitte. Ausserdem konnte man das Finanzsystem doch nicht kaputtgehen lassen." Heftiges Kopfschütteln bei Hausfrau zwei. "Ich bitte dich, hat nicht schon Schumperer das Prinzip der schöpferischen Zerstörung ... nein, die Fleischwurst am Stück bitte!" - "Ha!", so die andere. "Und warum haben wir den Halbverteilungsgrundsatz wieder aufgegeben? Übrigens dünste ich den Blumenkohl immer kurz in BUtter an." - "Na ja", seufzt die andere. "Ich glaube einfach, dass die materielle Steuerlast, also jene Wohlstandseinbussen, die bei den Steuerpflichtigen oder anderen Personen nach Abschluss aller Umwälzungsvorgänge und Verzerrungen verbleiben, viel zu hoch sind. Noch 100 Gramm Baguettesalami, bitte."


   Einen Steinwurf entfernt unterhalten sich zwei Heranwachsende in Trainungsanzügen über die Bildungspolitik. "Alder, laut OECD geben unsere Chefs zu wenig Kohle für die Schulen aus." - "Weiss isch", so der andere, "schau dir mal dieses Dreckloch an, wo wir lernen sollen. Das einzige Neue ist der Stacheldraht drum herum." - "Shit, Mann, aber bei der letzten Förderalismusreform ist ja die Hauptschule auf der Strecke geblieben. Hast du eigentlich was zu rauchen?" - "Hier, wickel es einfach in die Beschlüsse der letzten Kultusministerkonferenz ein." - "Geil. Kulturhoheit der Länder lösen sich in Rauch auf", grinst der andere und nimmt einen tiefen Zug. "Hast du dich schon um 'ne Lehrstelle beworben?" - "Nee, mir kam 'ne DVD dazwischen. Jetzt aber los, Steinmeier spricht."

   Wir blenden uns aus diesen Gesprächen aus, weil damit der Nachweis erbracht ist, dass die deutsche Gesellschaft aus klugen und mündigen Bürgern besteht, die leidenschaftlich am laufenden Wahlkampf teil nehmen. Nun kann es den einen oder anderen Leser schon einschüchtern, wenn er auf so gebildete, politisch interessierte Menschen trifft, die mit pointierter Rhetorik ihre fundierten Ansichten übder die grossen Themen der Politik fallenlassen. Keine Angst, liebe Leser. Aus dem folgenden Wahlbaukasten können Sie sich einige Standardsätze zusammenschrauben, mit denen sie in jeder Debatte die ersten 15 Minuten überleben. Danach geht es ja meist doch nur um Sex oder Fussball. Beginnen wir mit der Verteidigungspolitik: "Entscheidend ist doch die vernetzte Sicherheit - in d er Region und über die Grenzen hinaus - die Strategie der Allianz ist Gemeinsamkeit - wäre jetzt eine Einladung an den internationalen Terror - stehen wir zu unserer Verantwortung." Nun das Thema Bildungspolitik: "Der Bologna-Prozess zeugt doch von der Notwendigkeit einer Vereinheitlichung - halten wir an der bewährten Dreiteilung fest - kommt den Lehrern künftig eine grosse Verantwortung zu - stärken wir die Lernkompetenz bereits im frühen Alter." Schliesslich die Umweltpolitik: "Wäre grundfalsch, den Energiemix der Zukunft bereits jetzt aufzugeben - vertrauen wir auf die Innovationskraft unserer Industrie, die bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass ..." und so weiter.

   Zu den anderen Politikfeldern melden wir uns nächste Woche. Wie. Sie wollen nicht? Wünschen sich mehr Unterhaltung, gar substanzielle Nachrichten in Ihrer Zeitung? Also das ist doch ... Wozu machen wir uns denn die Mühe?!
 

 

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