Die Kartoffel (siehe Bild)
ist ja ungemein beliebt in unserem Land. Trotz ihres Migrationshintergrunds
gilt sie in weiten Teilen Westdeutschlands als assimiliert und
gesellig, eine knollige Schönheit mit weichen Rundungen, bräunlichem
Teint, ländlichen Wurzeln und festkochendem Akzent. Wann und
wie die willige Ausnutzpflanze zu uns kam, ist bis heute nicht
genau geklärt, doch aufgrund eines schmackhaften Duldungsrecht
fühlt sie sich mittlerweise heimisch.

Solanum
tuberosum lungert gerne am Feierabend in verwahrlosten Hauseingängen
herum, schmökert in den Partnerschaftsanzeigen von "Hurriyet"
oder "Vecernji List" und trinkt schon mal einen über
den Durst. Manchmal, wenn es hoch hergeht und die Alcopops kreisen
und rüde Kartoffelkäferpranken nach ihr grapschen, lässt sie
sich bereitwillig am Tresen einer ekligen Pommesbude verknupsern.
Doch wer will dem frühreifen Nachtschattengewächs diese moralischen
Auswüchse fern der Heimaterde verdenken? Sie ist hungrig nach
Liebe, rast oft nachtts sinnlos im wummernden 3er-BMW mit Concorde-Spoiler
samt zweifelhafter Begleitung durch unsere flurbereinigten Innenstädte,
neigt zu mehligen Depressionen, Schwerhörigkeit, Scheckkartenbetrug
und ungewollten Ablegern. Tagsüber ackert unsere Kartoffel zu
unwwürdigen Bedingungen, spielt in unserer Welt nur eine gering
geschätzte Beilagenrolle, schuftet stattdessen in McJobs, bei
billigen Krokettenzwirblern oder schwitzt als fallen gelassener
Chipskrümmel zwischen den struppigen Schwarten einer Unterschichtlerwampe.
Nur wenige ihrer Sorte entkommen einer arrangierten Ehe mit
einer Chauvinistischen Knoblauchsosse und schaffend en sozialen
Aufstieg, ergattern einen der Mineralstoffhaltigen, ökologisch
abbaubaren Bildschirmarbeitsplätze auf einem Demeter-Feld oder
im international renommierten Feuilleton unserer Redaktion.
Doch dank des ausgewogenen Konsenspürees der SPD herrschte in
den vergangenen Jahren wenigstens noch Ruhe im unteren Aldi-Regal.
Damit
ist jetzt Schluss. Dieser Tage zeigte die ehemalige Schutzpartei
des naturbelassenen und fremdenfreundlichen Gesellschaftseintopf
ihre wahre Schale. Der Brandenburger Schandwirtschaftsexperte
und Erntehelfer in Frank-Walter Steinmeiers Kompetenzteam, Udo
Folgart, hat sich in einem verdächtig schnell gezogenen Interview
mit der Westberliner Grünkernpostille "taz" für Masttierhaltung
sowie für die Aufzucht und Hege einer neuen, gesunden, genetisch
sauberen Kraftfutterkartoffel namens Amflora ausgesprochen.
Diese echt deutsche Frucht (Brandenburgisch: Knulle) sei schädlingsresistent,
gross wie die Leber eines unbedarften ostdeutschen Neonazis
und würde sich äusserlich durch einen blonden Dutt auf dunkelbrauner
Oberflächlichkeit vom kunterbunten Allerlei abheben. Amflora
sei gerade in den unendlichen, von fremder Saat bereinigten
No-go-Zonen des weiten Ostens eine hervorragende Anbauempfehlung,
hiess es. Die ostdeutschen Krautbauern reagierten entzückt,
während anderswo die SPD harsche Kritik vonseiten empörter Bionade-Schlürfer
in Zehlendorf und Prenzlauer Berg erntete. Was soll man sagen?
Es ist die Zeit der Wahlkämpfe. Jede Aussage wwird sofort
heiss frittiert und mit eiskalter Medienmayonnaise abegschreckt.
Der Flurschaden bei der SPD sei nun gewaltig, stöhnten Eingeweihte.
Doch im dunklen Grunde schätzt Steinmeier Knullenfachmann Folgart.
Immerhin ist der stämmige Agronom mit der genetisch prägnanten
Zahnstellung einer von drüben, LPG-erfahren, glücklich verheiratet,
bodenständiger Vater zweier Kartoffeln und zudem Vorsitzender
des Trägervereins Ländliche Heimatsvolkshochschule am Seddiner
See e.V. Mal ehrlich: Mehr Kompetenz braucht es wirklich nicht
in unserem platten Land. |