Lassen Sie uns über den
Grill nachdenken, liebe Leser. Der Grill ist im Sommer geradezu
ein Fixstern im Leben der Mitteleuropäer. Ein Gestirn, das aber
verdunkelt wird durch Wolken halb verbrannter Kohle und karzinogener
Absonderungen von Russpartikeln beim Verbrennungsprozess von
Fleisch. Der Grill (siehe Bild) ist aber auch ein Teil des
individuellen wie kollektiven Gedächtnisses. Wer hat nicht
schon einmal in der kalten Kohle des Vorjahres gestöbert, dabei
die Reste jenes geselligen Beisammenseins an einem Sommerabend
entdeckt: Einen Fingernagel, das Funktelefon, dass einer alkoholbeseligten
Besucherin entglitten war, die Klarsichtverpackung eines fettreduzierten
Schinkenwieners.
Die sommerlichen Verbrennungsrituale
haben eine uralte mitteleuropäische Tradition. Eine Recherche
unserer Geschichtsredaktion bei der Internetdatenbank Wikipedia
lässt drei historische Figuren in die engere Wahl rücken: Zum
einen den Komponisten Franz Grill. Er starb am 18. August
1792 im 36. Lebensjahr. Er gilt als Erfinder des Grill-Divertimentos,
das sich am Vorbild Joseph Haydns orientierte. Grill setzt auf
kleine Besetzungen, also nie mehr als drei Fleischstücke, die
aber zeitversetzt gesotten werden, was ein gewisses kontrapunktisches
Können verlangt. Nach der letzten Belagerung der Türken vor
Wien finden auch orientalische Einflüsse ihren Weg in die Kulinarik
Grills - so legte er die Nasen gefallener Feinde auf den Rost
oder ritzte die Wurstpelle mit dem Krummdolch an.

Mit
uns verfeindete Kulturhistoriker glauben allerdings, dass
ein gewisser Johann Grill der geistige Vater der mitteleuropäischen
Freiluftbratkultur war. Johann Grill, geboren in Ramsau
bei Berchtesgaden, war der Erstdurchsteiger der Watzmann-Platte,
eines mehr als 90 Kilo schweren Schlachtmassivs aus Tierendstücken,
dessen Verbrennung auf dem Rost das touristisch stark nachgefragte
Alpenglühen in Obernbayern verursachte. Grill wuchs mittellos
auf und starb so - infolge eines Murenabgangs aus geschichteter
Holzkohle.
Neuere Forschungen richten
das Augenmerk auf Theodor Grill, Sohn eines Postbeamten
im Kurort Bad Ischl. Grill, ein aufrechter Sozialdemokrat, emigrierte
in die USA. Nach dem Krieg kam er nach Österreich zurück und
wurde Beamter beim Linzer Magistrat. Die legendären Linzer Augen,
also die bis zur absoluten Schwärze zusammengeschmurgelten Schwartenstücke
auf Ananas, sind wohl seine Erfindung.
Wenn
Sie also beim Grillen Stimmen aus der Asche wahrzunehmen glauben,
ist das keine Grille der Natur, sondern die Geister der drei
grossen Wurstbrater des Abendlands. Hören Sie auf das
rauchige Geflüster, wenn es Ihnen sagt, dass es Zeit ist, den
Schweinehals vom Rost zu nehmen. |