Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (12. Juli 2009)
 

   Lassen Sie uns über den Grill nachdenken, liebe Leser. Der Grill ist im Sommer geradezu ein Fixstern im Leben der Mitteleuropäer. Ein Gestirn, das aber verdunkelt wird durch Wolken halb verbrannter Kohle und karzinogener Absonderungen von Russpartikeln beim Verbrennungsprozess von Fleisch. Der Grill (siehe Bild) ist aber auch ein Teil des individuellen wie kollektiven Gedächtnisses. Wer hat nicht schon einmal in der kalten Kohle des Vorjahres gestöbert, dabei die Reste jenes geselligen Beisammenseins an einem Sommerabend entdeckt: Einen Fingernagel, das Funktelefon, dass einer alkoholbeseligten Besucherin entglitten war, die Klarsichtverpackung eines fettreduzierten Schinkenwieners.

   Die sommerlichen Verbrennungsrituale haben eine uralte mitteleuropäische Tradition. Eine Recherche unserer Geschichtsredaktion bei der Internetdatenbank Wikipedia lässt drei historische Figuren in die engere Wahl rücken: Zum einen den Komponisten Franz Grill. Er starb am 18. August 1792 im 36. Lebensjahr. Er gilt als Erfinder des Grill-Divertimentos, das sich am Vorbild Joseph Haydns orientierte. Grill setzt auf kleine Besetzungen, also nie mehr als drei Fleischstücke, die aber zeitversetzt gesotten werden, was ein gewisses kontrapunktisches Können verlangt. Nach der letzten Belagerung der Türken vor Wien finden auch orientalische Einflüsse ihren Weg in die Kulinarik Grills - so legte er die Nasen gefallener Feinde auf den Rost oder ritzte die Wurstpelle mit dem Krummdolch an.



   Mit uns verfeindete Kulturhistoriker glauben allerdings, dass ein gewisser Johann Grill der geistige Vater der mitteleuropäischen Freiluftbratkultur war. Johann Grill, geboren in Ramsau bei Berchtesgaden, war der Erstdurchsteiger der Watzmann-Platte, eines mehr als 90 Kilo schweren Schlachtmassivs aus Tierendstücken, dessen Verbrennung auf dem Rost das touristisch stark nachgefragte Alpenglühen in Obernbayern verursachte. Grill wuchs mittellos auf und starb so - infolge eines Murenabgangs aus geschichteter Holzkohle.

   Neuere Forschungen richten das Augenmerk auf Theodor Grill, Sohn eines Postbeamten im Kurort Bad Ischl. Grill, ein aufrechter Sozialdemokrat, emigrierte in die USA. Nach dem Krieg kam er nach Österreich zurück und wurde Beamter beim Linzer Magistrat. Die legendären Linzer Augen, also die bis zur absoluten Schwärze zusammengeschmurgelten Schwartenstücke auf Ananas, sind wohl seine Erfindung.

   Wenn Sie also beim Grillen Stimmen aus der Asche wahrzunehmen glauben, ist das keine Grille der Natur, sondern die Geister der drei grossen Wurstbrater des Abendlands. Hören Sie auf das rauchige Geflüster, wenn es Ihnen sagt, dass es Zeit ist, den Schweinehals vom Rost zu nehmen.
 

 

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