Es war wieder eine dieser
bleiernen nichtssagenden Wochen. Die Tage klebten aneinander,
starr und blitzäugig wie die Teilnehmer einer deutschen Islamkonferenz
auf dem Abschlussfoto. Das Wetter? Ähnlich konsensartig, schwitzig.
Und einen Tick zu schwül für diesen schlappgrauen Spätherbst
- als befände man sich im hohlen Händedruck von Obama und Merkel.
Aus schweren Wolken tropften abgebrochene Dialogfetzen, unverständliche
Grafiken, sintflutartige Rettungsvorschläge. Draussen in
den Überschwemmungsgebieten raste ab und an ein fabrikneuer
menschenloser Schwimmanzug in Rekordgeschwindigkeit am beschlagenen
Fenster vorbei, trieben ruhig die Zukunftsträume von Millionen
dahin, ertranken mit leisem Gurgeln im Schritttempo die aufgeweichten
Kreditwünsche eines schwäbischen Sportwagenbauers.
Dann
kippte die Stimmung in der Redaktion. Die Luftfeuchtigkeit stieg
ins Unerträgliche. Ein Gefühl von Nutzlosigkeit perlte in
unseren Schweinenacken. Auf den Telefonen bildeten sich
Moosflechten. Einige leckten ihre Tastaturen ab, duellierten
sich, lernten Deutschvokabeln oder fächerten sich mit Barbara
Schönebergers intimen Hochzeitsplänen in der "Bild"
Hoffnung zu. Andere suchten vergebens das Internet nach den
von der debilen Regierung verordneten Stopp-Schildern ab, fanden
aber nur Datenspuren einer spätpubertierenden blondierten Nachtmär,
die als leyenhafte Statistikfälscherin und grundgesetzbrechenden
Wahrheitsverdreherin beschimpft wurde.
Alles
vergeblich. Genauso wie jener, der unendlich oft das Wort
Dysmorphophobie korrekt auszusprechen versuchte und darüber
zum verrückten Selbsthasser wurde, der am Ende vehement
die Ansicht vertrat, Til Schweiger sein ein erotischer Kartoffelkäfer
aus Hollywood und daher mindestens eine Seite drei wert. Ein
anderer vergrub sich in das 62. Kapitel von Robert Musils "Mann
ohne Eigenschaften", kicherte hysterisch wie ein karrieristisches
Elternpaar vor einer verwaisten Kita und verliebte sich in die
Aussage, dass die Gegenwart nichts als eine Hypothese sei, über
die man noch nicht hinausgekommen sei. Eine Gruppe von apokalyptischen
Kollegen, Michael-Jackson-Fans und Hobbykabbalisten hatte
sich schon vor Monaten selbst zur Adoption freigegeben, in der
Erwartung, Madonna würde anrufen. Stattdessen flatterte
ein Asylangebot samt Carepaket (Bananen, Macheten) eines Sklavenhändlers
aus Malawi ins Haus, woraufhin sich die Verzweifelten wie so
viele Journalisten in diesen Zeiten mit dem Schlauchboot auf
einen ungewissen Weg nach Lampedusa machten.

Und
gerade als der Lokalpatriotische Rest der Truppe gemeinsam beschloss,
tapfer dem Finale entgegenzusehen, gefasst und einig im Strudel
der heillosen Ereignisse zu blicken und ehrenhaft diese kalte,
nassforsche Welt zu verlassen, kam die unglaubliche, alles
erhellende Meldung: Die 86 Milliarden Euro alte norddeutsche
Steinbrück ("die alte Peer", siehe Bild) am Reichstagsufer
wurde völlig überraschend in Sevilla zum Weltkulturerbe erklärt.
Als harte Konkurrenten erwiesen sich noch der antiquierte, erbarmunsglose
Präsidentenschädel von Mahmud Ahmadinedschad sowie die Rhetoriken
des Mehrwertsteuerpoeten Günther Oettinger. Das positive Votum
der Unesco-Vertreter aus Liechtenstein, Luxemburg, der Schweiz,
Österreich und Malawi gab den Ausschlag für diese höchst erfreuliche
Nachricht. Das Komitee würdigte die ehrwürdige, antiquierte
Steinbrück "als eines der anfälligsten und gezeitenabhängigen
Finanzbauwerke der Erde". Bürgermeister Wowereit resümierte:
"Der grosse Imagegewinn könnte sich positiv auf den Tourismus,
die SPD, meine Verdauung und weiss Gott noch was auswirken."
Nassgeweint
fielen wir uns in die Arme, schrieben wieder leidenschaftliche
Texte, liebten uns hemmungslos zwischen surrenden Druckern,
blickten einer rosa schimmernden Zukunft entgegen. Die alte
Steinbrück, herrlich. Es war die Nachricht, die uns alle wieder
trocknete. Wir können wieder weitermachen. Bis zur nächsten
Regenwoche. |