Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (14. Juni 2009)
 

   Da hat sie sich aber gefreut, die Frau Ulla Schmidt, Sieg vor dem Bundesverfassungsgericht, die privaten Krankenkassen müssen einen Basistarif für alle anbieten. Das heisst, auch "schlechte Risiken" (so nennt man Menschen über 22) müssen von den Privaten genommen werden, und jetzt jammern die, weil ihre Stammklientel (hoch bezahlte, ledige Jungakademiker) natürlich weniger oft ein neues Hüftgelenk brauchen, als 60-jährige Fitoldies, die so lange auf harten Hallenböden Bällen nachrennen, bis der altersspezifisch etwas angenagte Knorpel vollends zerbröselt.

   Dabei jammern die Privaten völlig ohne Grund. Unsere Redaktion "Fissuren und Nebenwirkungen" hat in der deutschen Pharmazie recherchiert und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es fast an ein Wunder grenzt, dass es überhaupt noch Patienten gibt, zumindestens solche, die am Leben sind.

   Unser Expertenteam hat sich durch die Beipackzettel (siehe Bild) verschiedener Arzneien gekämpft und dabei dreierlei festgestellt: Erstens: Menschen über 20 Jahre brauchen dafür eine Lesebrille. Zweitens: Die Textmenge so eines Papiers ist vergleichbar mit der des Romans "Krieg und Frieden". Drittens: Etwa 0,01 Prozent des Textes beschäftigt sich mit der Wirkung des Präperats, der Rest mit Gräuelszenarien, die alleine durchs Lesen Vorhofflimmern auslösen. Und die Erkenntnis, dass man bisher keine Ahnung hatte, an wie vielen schrecklichen Arten man wegen einer einzigen Pille zugrunde gehen kann. Und dies bezieht sich nur auf die Fälle (Multi-Organversagen, Herzinfarkt, Sepsis, etc.), die der Normalbürger auch ohne Google versteht. Dazu kommen noch höchst seltene Todesarten, deren Namen unaussprechlich sind und die nicht mal auf einer Trauerkarte hübsch klingen. Auf jeden Fall müsste man nach der Lektüre dieser Zettel ungefähr vier Stunden seinen Arzt oder Apotheker konsultuieren, um ein wenig Klarheit zu bekommen. Und das versuchen Sie mal. So bleibt es ein Wunder, dass es Menschen gibt, die nicht drei Tage Blut spucken, wenn sie ein stinknormales Mittel gegen rheumatische Schmerzen eingenommen haben.



   Da es statistisch aber Millionen Pharma-Überlebende gibt, lügen die Beipackzettel entweder wie gedruckt, oder der deutsche Patient ist härter im Nehmen, als man es ihm zutraut.

   Oder eine Memme: Uns wurde von einem Fall berichtet, nachdem einem stadtbekannten Hypochonder ein Schmerzmittel verschrieben wurde und dazu noch ein Mittel, das die Magenschleimhaut schützt, die wiederum vom ersten Präparat angegriffen werden kann / muss / soll / wird. Nach Lektüre des Beipackzettels des Magenschützers lief der Mann (Ataxie?) orientierungslos und klagend durch den Raum, da das Schutzmittel noch mal acht mehr Todesrisiken in sich trug als die Schmerzpillen. Darauf warf der Mann das Schmerzmittel weg und behielt das Magenmittel für den Fall, dass der Nachbar weiterhin hartnäckig die Grenzhecke zu kurz schneidet und es daher angeraten sein könnte, ihn bei Gelegenheit zu vergiften.

   Das sind natürlich keine Lösungen für die Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Wobei die Privaten eine Regelung einführen könnten, dass ihre Basistarifler den Beipackzettel vor dem Kauf des Medikaments komplett und laut lesen müssten. Das würde Milliarden einsparen. Ganz sicher.
 

 

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