Alle Augen ruhen auf dem
jungen, alert-sympatischen, immer beherrscht sachkundig auftretenden,
dem klassischen Wertekanon der Ordnungspolitik und einem sowohl
Moderne wie Tradition vereinenden Gesellschaftsbild verpflichteten,
fränkisch-bodenständigen, dabei auch global sicher und weltmännisch
auftretenden, im Massanzug genauso wwie im Trachtenjanker heimischen
Baron im Wirtschaftsministerium. Doch wie sieht es hinter
der Fassade aus?
Exclusiv für unsere
Redaktion hat der junge Baron einige seiner jüngsten Gemütszustände
schriftlich festgehalten. Wir zitieren: "Heute Nacht kaum
geschlafen. Die ersten 34 Kappitel im Handbuch des Insolvenzrechts
durchgeackert. Labyrinthische Gedankenngänge. Ich setze eine
meiner besonders ordnungspolitischen Frisuren auf und
wasche meine Hände kurz in Unschuld. Mein Anzug, der die ganze
Zeit auf mich gewartet hat, begrüsst mich freundlich. Muss den
Bauch einziehen. Zu viel schlechtes Geld in mich hineingefressen.
Die
ganze Nacht wieder von einer Bad Bank geträumt. Entsetzlich!
Ich komme zur Eingangstreppe und nehme wie immer drei Stufen
auf einmal. Eine virile Dynamik strömt von mir aus. Drei Stufen,
dann wieder drei, und wieder und wieder. Doch die Treppe nimmt
kein Ende. Ich renne und renne, dann öffnet sich unversehens
der Schlund zum Handelsraum - ein schauerlicher Gestank
nach faulen Krediten steigt hoch. Ich will umkehren, zurück
zu den alten Prinzipien der Finanzpolitik, doch es geht nicht.
Die Stufen hinter mir lösen sich auf. Schnell werfe ich einen
grossen Geldkoffer ins Dunkle Er verschwindet. Ein zweiter auch,
dann ein dritter. Sie wollen dich ganz, schuiesst es mir durch
den Kopf. Sie wollen, dass ich springe. Aber ich will nicht.
Doch von hinten schiebt die SPD, und ganz unten feuert
mich die Kanzlerin an: Spring endlich! Wäre ich doch ein einfacher
Baron geblieben! Ich springe. Kurz vor dem Eintauchen erwache
ich.
Ich schwitze vor Angst wie
ein Opel-Arbeiter. Doch draussen ist es nicht besser. Kaum
zwinge ich mich, in der Parlamentskantine einen Salat mit Putenbruststreifen
zu essen, strecken sich mir die gierigen Arme einer zwischen
den Salatblättern versteckten Insolvenz entgegen. In den Geschäften
Ausverkaufsstimmung. Ein Handyverkäufer stimmt einen monotonen
Klagegesang an. Er dauert mich. Ich spanne meinen letzten Rettungsschirm
auf, doch der Regen läuft durch ihn hindurch, als wäre er aus
Seidenpapier. Der Verkäufer weint und wischt sich mit meiner
Krawatte die Nase ab.

An
der nächsten Ecke steht der dicke Peer. Ständig passt er mich
ab, um mir das letzte Geld abzupressen. Ich will an ihm
vorbei, doch er drückt mich gegen die Wand. So dicht, dass ich
seinen Atem riechen kann. Der Kerl gibt keine Ruhe. Ich gebe
ihm alles. Er lacht schäbig (siehe Bild) und flüstert: 'Bis
morgen'.
Mitternacht. Habe jetzt genug.
Irgendwie ist eine Pleite ja garnicht so schlimm. Man hat Ruhe.
Endlich. Sollen die anderen den Karren aus dem Dreck ziehen.
Gleich morgen früh setze ich mich hin. Und schreibe eine Presseerklärung:
... habe mich entschlossen, meinem ordnungspolitischen Credo
zu folgen und Privatinsolvenz anzumelden. Lege hiermit alles
auf den Tisch. Rechnungen und so. Und dann abends heim in
mein Schloss. Haltet die Ohren steif, euer Baron." |