Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (31. Mai 2009)
 
Prinzipiell schon tot
 

   Wen Journalisten schon alles lebendig unter die Erde gebracht haben, das wäre ein Extra-Kapitel in Dantes Inferno wert. Vor kurzem blinkten abends die "Breaking News" vom Tod eines Promis über das Laufband eines Nachrichtensenders. Ein sympathischer, kluger und gut aussehender Mann. "O nein", seufzten die Frauen in unserer Nachrichtenzentrale. "Bitte nicht der." "O nein", seufzte ich leise." Von Berufs wegen bin ich bigott. Ich will die Toten mit vielen Worten würdigen, aber bitte zu einer meinem Biorhythmus angenehmen Tageszeit.

   Da niemand gerne vom eigenen Tod erfährt, wenn er noch nicht gestorben ist, suchte ich nach der Quelle. Der Nachrichtensender bezog sich auf die Internetausgabe einer Boulevardzeitung. Dort bezog man sich in grossen Lettern auf den Nachrichtensender.

   Das erinnerte mich an die Aufführung eines Improvisationstheaters, in dem sich zwei Schauspieler spontan mit Komplimenten überhäufen sollten. Sie taten das so gut, dass selbst ich mich geschmeichelt fühlte. Die gegenseitige Bestätigung ist ein grandioses Prinzip, es macht Wünsche wahr. Werde ich gelobt, lobe ich deshalb postwendend zurück; gewinnt ein popeliger Fussballverein einer am Reissbrett entworfenen Stadt die Meisterschaft, war ich schon immer ihr Fan. Es gibt sogar ganze Staatengemeinschaften, die sich derart an die Spitze der Wlet reden. Das funktioniert blendend, solange keiner intern Einspruch erhebt. Und wenn es einer tut, macht er es meist nicht mehr lange.

   In diesem Fall hat das Prinzip Bestätigung allerdings versagt. Der Tote gehört einer Staatengemeinschaft an, die sich anderen Prinzipien verschrieben hat. Also meldete er sich zu Wort aus dem vermeintlichen Jenseits, über einen Pressesprecher. Der Nachrichtenkanal hätte sich jetzt darauf berufen können, das mit der Wiederauferstehung habe doch schon einmal funktioniert. Stattdessen schwenkt er in seiner Informationspolitik um. Ja, der Prominente lebe, erntschuldigt sich der Sender - noch.
  

 

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