250 Jahre ist er nun tot
- und überall wird seiner gedacht: Georg Friedrich Händel gilt
neben dem nüchteren Schweden Ingmar Bergman - dessen Standardwerk
über den Haarnadelwald im Permafrostboden noch heute hohe Wertschätzung
geniesst - und neben Benito Mussolini, dem Begründer der schwarzen
Kolonnenbepflanzung, als Visionär
der europäischen Gartenkunst. Gerade jetzt, im beginnenden Frühjahr, erinnern
sich viele Gartenfreunde auf die Kunst des Meisters der Koloraturzucht.
Sein Standardwerk "Vom Oratorium zum Arboretum" markiert
den glanzvollen Höhepunkt der ersten europäischen Ziergartenepoche.
Seine Meisterschaft ist noch heute Massstab für jeden Intendanten
eines Provinzgartens.
Inspiriert von
zahlreichen Italienreisen, setzte Händel erstmals junge männliche
Zierstauden ein und schuf derart kunstvoll angelegte Grünanlagen,
dass er bald als "Sächsischer Zwirbel" in die Geschichte
der Gartenkunst einging. Den meisten Anlagen gab er selbst ihren
Namen: Rinaldo, Julius
Cesare, Xerxes - von Rosenzüchtungen wie Rodelinda nicht
zu reden. Auch der nach ihm benannte Raufhändel aals unverwüstliche
Rankenpflanze ist aus dem heutigen Garten nicht mehr wegzudenken.
Höhepunkt in Händels Œuvre ist sicher der berühmteste Messias,
der dem Gartenfreund als zuverlässige Richtschnur von Weihnachten
bis über Ostern hinaus dient. Heute ist die Kunst Händels schon
fast zum Allgemeinplatz geworden. Die Anordnung von Tomaten
als Doppelfugen und Zierteiche mit Generalbassbegleitung
sind in jedem Gartencenter zu sehen. Dennoch lohnt es sich,
einen genaueren Blick auf die Kunst des Virtuosen zu werrfen.
Hat er doch wie kein Zweiter die Dramaturgie eines Gartens dem
Prinzip "Tumult und Fläche" unterworfen.

Eine
geschickt inszenierte Perola - also eine Eifersuchtsarie zwischen
gleichartigen Zierhölzern - schafft Spannung. Der Rasen ist
Fluch und Segen zugleich, lädt er doch die für teures Geld engagierten
Solisten (Rosen, Rhododendren - siehe Bild -, Astern oder Forsythien)
zum Ausruhen auf ihren Lorbeeren ein. Das kann der Gartenfreund
keinesfalls hinnehmen. Meist reicht schon die Androhung
des Düngeentzugs, um die Diven zur Räson zu bringen. Der eine
oder andere Cupido schafft durch die Aufzucht in Männerkleidung
wohlige Verwirrung. Mit einem Chor der Frösche erzielt der Gärtner
den erwünschten theatralischen Effekt: Das andauernde Gequake
kontrastiert herb mit den südamerikanischen Kunstkantilenen
(sie blühen meist nur kurz, aber heftig im September). Doch
Vorsicht: Wenn sich die Nachbarn daran stören, ist der erste
Opernkrach programmiert. Die vielfach umjubelten obertonreichen
und farbsatten Kastratenblütler sind auf dem legalen Markt leider
nicht mehr zu bekommen, da sie gegen das Pflanzenschutzgesetz
verstossen. Viele Gartenfanatiker quetschen bei illegal importierten
Pflanzen aus Osteuropa die Fortpflanzungsorgane so lange mit
der Gartenschere, bis der erwünschte Effekt eintritt.
Doch
das sollte man nicht tun. Denn letztlich gilt das Wort des Meisters:
"Nur die Lilebe lässt
den Garten blühen." Seien Sie also nett zu Ihren Pflanzen. Wenn
im Spätsommer die Forsysthien ihr Lied "Dove sei, amato
bene" fragend in den Garten hineinwispern, die Birnen ihr
"Nasce al Bosco" den Vögeln zuwerfen, dann ist das
höchste Glück des Gärtners vollständig, und Händel kann sich
in seinem efeubewachsenen Grab beruhigt zur Seite drehen. Und
wenn eine hartstielige Ranküne es wagen sollte dazwischenzuklettern,
wird sie einfach vom Spielplan abgesetzt. |