Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (22. März 2009)
 

   Wir berichten heute aus den Verkäufsräumen eines Autohauses. Die Firma hat schwere Zeiten hinter sich und in früheren Jahren immer pünktlich zu Frühjahrsbeginn einen Aktionstag veranstaltet, an dem potenzielle Käufer für eins fünfzig eine Rote Wurst mit alter Semmel, ein achtel Liter gut abgehangenes Motoröl und ein Verkaufsgespräch bekommen haben. Dieses Frühjahr spart sich Inhaber Hanswalter S. die Kosten, weil er keine potenziellen Kunden mehr sehen will. S. vertreibt eine Automarke, die überwiegend Kleinstwagen anbietet und wird seit Wochen von Kunden überrannt.

   Die Verkäufer des Autohauses S. tragen mittlerweise italienische Massanzüge, die Designerbrillen stecken lässig in ihren frischen zu-Guttenberg-Frisuren, ihre Mienen spiegeln zufriedene Desinteresse. Mit Kunden sprechen sie entweder überhaupt nicht oder wie mit lästigen Finanzbeamten, wobei sie nie von ihren frisch manikürten Fingernägeln aufblicken. Wer gar nach Rabatten fragt, wird verhöhnt.

   In den letzten Tagen haben sie mit den letzten drei Gebinden Erdbeersekt, die früher beim Abschluss eines Kaufvertrags flaschenweise der Gattin des Käufers aufgedrängt wurden, die Sekretärinnen gebadet. Regenschirme, lederne Schlüsseltäschchen und Buchsbaumbüsche, die man Besuchern des Autohauses bisher als Give-Aways überreichte, sollen auf einem Basar verramscht werden. Der Erlös wird an notleidende Verkaufskollegen von Nobelmarken gespendet.

   Freitagabend gibt es künftig einen Selbsthilfe-Gesprächskreis, in dem langjährige Verkäufer von Qualitätsmarken von den Zeiten berichten dürfen, in denen der normale Käufer auf seinen 190er Diesel 18 Monate warten durfte, kurzfristige Lieferverträge so gut wie Bargeld waren und man seinen Jahreswagen über dem Listenpreis verhökern konnte.



   Heute strömt die Masse zu Herstellern, deren Flotte Benzin in Globuli-Rationen verbraucht, wahlweise auch mit Rapsöl, altem Pinselreiniger oder Fruchtsafttrester fährt. Kanzlerin Angela M. (siehe Bild) quetscht sich in Wahlzeiten auch gerne ins kleine Weisse. Die neuen Kleinstflitzer sind zudem pfiffig und bieten fünfköpfigen Familien genug Raum, sofern die Kinder faltbar sind oder nichts gegen stundenlanges Liegen in der Dachbox haben. Zur Markteinführung gab es früher noch einen Schuhlöffel, jetzt Lieferfristen bis zu acht Monate.

   Ein paar Kilometer weiter wienern hagere Gestalten mit fiebrigen Augen in riesigen Hallen aus Chrom und Glas unentwegt fettreifige SUV (zu deutsch: Sport Utility Vehicle). SUV sind Autos, mit denen zu besseren Zeiten zarte Anwaltsgattinnen die Lichtmasten auf Supermarktparkplätzen krumm fuhren oder zwei bis drei Parkplätze brauchten. Jetzt interessiert sich keiner mehr für die tonnenschweren Halbhöhenpanzer, selbst wenn das Navi mit einem Champagnerkühler ausgestattet ist.

   Die Automobilindustrie verlangt deshalb Hilfe vom Staat, die auch gewährt wird. Unsere Redaktion "Netto und Nato" hat erfahren, dass beim Nato-Gipfel Anfang April in Strassburg, Kehl und Baden-Baden Protestanten mit Nobelkarossen abgedrängt und eventuelle Widerstandsdörfer mit schweren Geländewagen geschleift werden sollen. Die Störer müssen neben der Strafe auch noch die Spritkosten übernehmen, was den Widerstand auf Jahre schwächen wird.
 

 

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