Es ist schon ein paar Jahre
her, da habe ich den schlimmsten Fehler meiner jornalistischen
Laufbahn begangen. Ich habe in einer Zeitungsüberschrift einen
75-jährigen Menschen als Greis bezeichnet. Ich erinnere mich
nicht mehr im Detail daran, was mir damals alles angedroht wurde
und wie viele Briefbomben mich erreichten. Aber ich musste davon
ausgehen, dass mein Steckbrief in sämtlichen Seniorenstiften
dieser Welt aushängt wurde und ich es mir für alle Zeit abschminken
konnte, meinen Lebensabend im Kreise gleichaltriger Menschen
verbringen zu dürfen.
Heute bin ich
froh, diese Erfahrung gemacht zu haben, sonst wäre ich beim
Auftauchen folgender Meldung voll ins Messer gelaufen: In Braunschweig
ist eine 62-jährige Frau von der Polizei angehalten worden,
weil sie mit ihrem Auto mehr als 50-mal einen Kreisverkehr umrundet
hat. Nach ihren Beweggründen befragt, gab sie an, sie habe ihren
neuen Wagen einfahren wollen.
Nur mal
angenommen, die Frau wäre nicht 62, sondern, sagen wir mal,
122 Jahre alt gewesen. In diesem Fall hätte man kalauern können,
dass die Dame den Kreis- zum Greisverkehr gemacht habe - und
dies, obwohl Braunschweig eine greisfreie Stadt sei. Man hätte
die Szenerie durch das Eintreffen des Leiters eines Altenheims
bereichert und diesen sagen lassen: "Störet meine Greise
nicht."
Auch wäre man kaum drum
herumgekommen, der Frau Greislaufprobleme zu unterstellen oder
zu behaupten, ihr verstorbener Gatte sei Vortsand von DaimlerGreisler
gewesen. Vermutlich hätte ich mich nicht entblödet zu schreiben,
dass die Polizei im Kofferraum des Wagens eine Originalausgabe
von "Der Wolf und die sieben Greislein" gefunden hat.
Oh Tschisas Greis, das alles hätte man tun können, wäre die
Frau 122. Aber das ist sie nicht. Noch nicht.
Hätte
ich eine 62-jährige Frau zur Greisin gemacht, ich hätte mit
einer Anzeige vom Greiswehrersatzamt rechnen müssen. |