Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (15. März 2009)
 
Immer im Greis herum

   Es ist schon ein paar Jahre her, da habe ich den schlimmsten Fehler meiner jornalistischen Laufbahn begangen. Ich habe in einer Zeitungsüberschrift einen 75-jährigen Menschen als Greis bezeichnet. Ich erinnere mich nicht mehr im Detail daran, was mir damals alles angedroht wurde und wie viele Briefbomben mich erreichten. Aber ich musste davon ausgehen, dass mein Steckbrief in sämtlichen Seniorenstiften dieser Welt aushängt wurde und ich es mir für alle Zeit abschminken konnte, meinen Lebensabend im Kreise gleichaltriger Menschen verbringen zu dürfen.

   Heute bin ich froh, diese Erfahrung gemacht zu haben, sonst wäre ich beim Auftauchen folgender Meldung voll ins Messer gelaufen: In Braunschweig ist eine 62-jährige Frau von der Polizei angehalten worden, weil sie mit ihrem Auto mehr als 50-mal einen Kreisverkehr umrundet hat. Nach ihren Beweggründen befragt, gab sie an, sie habe ihren neuen Wagen einfahren wollen.

   Nur mal angenommen, die Frau wäre nicht 62, sondern, sagen wir mal, 122 Jahre alt gewesen. In diesem Fall hätte man kalauern können, dass die Dame den Kreis- zum Greisverkehr gemacht habe - und dies, obwohl Braunschweig eine greisfreie Stadt sei. Man hätte die Szenerie durch das Eintreffen des Leiters eines Altenheims bereichert und diesen sagen lassen: "Störet meine Greise nicht."

   Auch wäre man kaum drum herumgekommen, der Frau Greislaufprobleme zu unterstellen oder zu behaupten, ihr verstorbener Gatte sei Vortsand von DaimlerGreisler gewesen. Vermutlich hätte ich mich nicht entblödet zu schreiben, dass die Polizei im Kofferraum des Wagens eine Originalausgabe von "Der Wolf und die sieben Greislein" gefunden hat. Oh Tschisas Greis, das alles hätte man tun können, wäre die Frau 122. Aber das ist sie nicht. Noch nicht.

   Hätte ich eine 62-jährige Frau zur Greisin gemacht, ich hätte mit einer Anzeige vom Greiswehrersatzamt rechnen müssen.
 

 

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