Man muss diese Woche über
einen Mythos sprechen: Über den Opel (siehe Bild). Aufgewachsen
in der bitterarmen Nachkriegszeit, konnte er nur auf dem zweiten
Bildungsweg einen vernünftigen Bildungsabschluss erwerben. Dank
seines unermüdlichen Fleiss, seiner Leidensfähigkeit und der
völligen Missachtung des Zeitgeists und dessen modischen Wichtigtuereien
hat der Opel über viele Jahre hinweg einen Platz im Herzen der
bundesrepublikanischen Gesellschaft gefunden.

Es
gehörte damals zum guten Ton, den freundschaftlichen Umgang
mit einem Opel zu pflegen, man lud sich ein, wechselte das eine
und das andere Wort und liess es dabei bewenden. Im zeitgenössischen
Theater oder in der Oper sah man den Opel selten, wie er auch
kein eifriger Besucher von Vernissagen odet Cocktailbars war.
Gerade um seiner unaufgeregten Normalität willen mochten die
Deutschen den Opel, ja sie bewunderten ihn. Denn er war wie
sie, hatte sich durch alle Zeitläufe und Scheusslichkeiten des
Jahrhunderts hindurchgeopelt. Fragen der nachwachsenden
Generationen ("Was habt ihr damals eigentlich gemacht?")
begegnete der Opel mit Unverständnis ("Was hätten wir denn
tun sollen - uns waren doch die Hände gebunden!"). Letztlich
sass der Deutsche mit dem Opel in einem Boot. Man war noch einmal
davon gekommen. Nur gelegentlich schaute man wehmütig auf den
Blitz im Opel-Signet und erinnerte sich an die gleichnamige
Strategie des schnellen Panzervorstosses, mit der man ja durchaus
Erfolge erzielt hatte. Tempi passati. Jetzt stand Opel für Normalität.
Heinz Rühmann galt als der erste Opel im Unterhaltungsbusiness,
Polit-Opel wie Ludwig Erhard und später Helmut Kohl prägten
den Aufstieg Deutschlands, ein Sport-Opel wie Fritz Walter stärkte
das nationale Selbstbewusstsein. Die Bundesrepublik veropelte,
sie drehte langsam hoch und hielt ihre Drehzahl wie ein Dieselmotor.
Die
Wende kam in den achtziger Jahren. Der hedonistischen Jugend
erschien der Opel altbacken, die Vätergeneration schmähte
seine Unzuverlässigkeit; fast niemand wollte einen Opel zum
Freund haben. Die Finanzkrise gab dem Opel den Rest, hatte er
doch alls eine Ersparnisse unter Matratzen angelegt, die rapide
an Wert einbüssten.
Sein Schicksal
schien besiegelt. Der Opel verschwand aus dem Stadtbild. Der
eine oder andere stand in verrufenen Raucherkneipen am Tresen,
fristete sein Dasein als Hinterbänkler in der Politik oder versuchte
sich als Handyverkäufer. Auch in unserer Redaktion verrichteten
einige Opels noch ihre Arbeit, packten mittags ihre Versper
aus und machten pünktlich Feierabend. Man nahm sie kaum noch
wahr. Jetzt zeichnet sich ein Umschwung ab. Der Wertewandel
in der Gesellschaft, die bevorstehende Einführung des Sozialismus
mit menschlichem Antlitz begünstigt die Nehmerqualitäten des
klassischen Opels. Machtmenschen, die zuvor einen Opel nicht
einmal ignoriert hätten, suchen das Gespräch mit ihm. Frauen
rücken in der U-Bahn eng an die einst belächelten Aussenseiter
und streicheln sie verstohlen, in Restaurants bekommt ein Opel
den besten Tisch. Das alles zeigt: Wir nähern uns den alten
Werten. Und wer morgens in den Spiegel blickt un den Blitz
auf der Stirn sieht, denkt sich: Die Zukunft hat wieder ein
Gesicht. |