Wir melden uns heute aus
der Fastenklinik Labora et Labora im südlichen Allgäu, in der
sich die Elite des Landes hinter dicken Mauern mit rechtsdrehenden
Heilwässern, ganz altem Brot aus einer Biomühle und frisch geraspeltem
Eichenlaub halb zu Tode läutert. Die Insassen tragen eine Kutte
aus rohem Rupfen und sind gehalten, nicht zu sprechen oder Börsenkurse
anzuschauen.
Unterbrochen wird die
Kontemplation nur bei der nachmittäglichen Selbstgeisselung
un der gemeinsamen Stuhlgang-Lese zur frühen Abendstunde, bei
der der Chef-Gastroenterologe des Hauses die Ausscheidungen
der Faster bewertet und Punkte verteilt. Für vier Punkte gibt
es einen alten Bio-Apfel, der im Rahmen einer therapeutischen
Übung (siehe Bild) gegessen werden muss. Dazu wird hinterher
ein halber Löffel Selleriesud gereicht. Für jeden. Unsere Redaktion
"Genuss und Reue" ist neugierig geworden und hat
einen unerschrockenen Kollegen zum Selbstversuch ins Allgäu
geschickt. Hier sein Bericht:

Die
ersten drei Tage verlaufen relativ ruhig. Die Patienten wandeln
schweigend und leicht bis mässig flatulierend durch den Park.
In den anschliessenden Therapiestunden malen sie Bilder von
sehr fetten Menschen, die von einer Armee Cheesburger auf
Beinen und marodierenden Mayo-Flaschen mit Kalaschnikows verfolgt
werden. Banker V. wird von der Fastenleitung ermahnt, weil er
sich gleich zweimal von der netten Fräulein Olga einen Bergkräutersud-Einlauf
machen lassen will. Eine gerechte Rüge, weil sich V. so ein
paar Stuhlgang-Punkte erschleichen will.
Am
Tag vier wird die Stimmung langsam gereizt. Die Ersten wählen
statt der Selbstgeisselung das Alternativprogramm und schauen
ohne Pause drei Stunden "Das perfekte Promidinner"
an. Abends muss Wernfratz-Isidor G., ein hysterischer Politiker
aus dem Bayerischen, mit Stahltauen ins Bett gefesselt werden,
weiler sich bei der Stuhlgang-Lese um eine Punkt beraubt sah.
"Was soll der ganze Scheiss", brüllt G. immer wieder,
was gegen das Schweigegebot verstösst. Auch der Gewinner des
Tages, ein feister Investmentbanker, muss den Apfel wieder rausrücken,
weil er ihn als mündelsichere Anlage an einen Finanzstaatssekretär
verhökern wollte.
Am nächsten Morgen
entreisst ein Patient aus dem dritten Stock der Putzfrau die
Handtasche und klaut ihre Leberkässemmel. Der Mann wird nach
kurzer Flucht von Fräulein Olga mit einem wuchtigen Leberhaken
niedergestreckt, muss zur Strafe vier Liter Wasser trinken und
darf am Abend nicht mit zum Kurs "Die Möhre - Quell aller
Kraft". Am sechsten Tag mehren sich die Übergriffe,. einige
Insassen fliehen vom Dach der Klinik in ihren Privathelikoptern.
Oberkellner Luis wird beim Servieren des geraspelten Eichenlaubs
mehrfach gebissen, der Gastroenterologe von einem aufgebrachten
Mittelständler mit dessen Tageslosung beworfen.
Am
siebten Tag erklärt die Klinikleitung das Fatsen für beendet.
Es gibt Kesselfleisch mit Bauchspeck, Blutwurst mit Schmand
im Reisrand, Kernseife, fette Schnecken, Lebertran an
frischen Erdbeeren und eimerweise frisches Starkbier. Am Ausgang
reservieren die Patienten für 2010.
Der
Spitzenkandidat einer Volkspartei, der am zweiten Tag
plötzlich verschwunden ist, wird nach der Schneeschmelze erfroren
im Park aufgefunden - er hatte versucht, sich mit einem Kaffeelöffel
unter der Mauer durchzugraben. In der Tasche seiner Rupfen-Kutte
fanden sich Spuren von gefrorenen Selleriesud und ein funktionsfähiges
Handy. |