Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (01. März 2009)
 

   Wir melden uns heute aus der Fastenklinik Labora et Labora im südlichen Allgäu, in der sich die Elite des Landes hinter dicken Mauern mit rechtsdrehenden Heilwässern, ganz altem Brot aus einer Biomühle und frisch geraspeltem Eichenlaub halb zu Tode läutert. Die Insassen tragen eine Kutte aus rohem Rupfen und sind gehalten, nicht zu sprechen oder Börsenkurse anzuschauen.

   Unterbrochen wird die Kontemplation nur bei der nachmittäglichen Selbstgeisselung un der gemeinsamen Stuhlgang-Lese zur frühen Abendstunde, bei der der Chef-Gastroenterologe des Hauses die Ausscheidungen der Faster bewertet und Punkte verteilt. Für vier Punkte gibt es einen alten Bio-Apfel, der im Rahmen einer therapeutischen Übung (siehe Bild) gegessen werden muss. Dazu wird hinterher ein halber Löffel Selleriesud gereicht. Für jeden. Unsere Redaktion "Genuss und Reue" ist neugierig geworden und hat einen unerschrockenen Kollegen zum Selbstversuch ins Allgäu geschickt. Hier sein Bericht:



   Die ersten drei Tage verlaufen relativ ruhig. Die Patienten wandeln schweigend und leicht bis mässig flatulierend durch den Park. In den anschliessenden Therapiestunden malen sie Bilder von sehr fetten Menschen, die von einer Armee Cheesburger auf Beinen und marodierenden Mayo-Flaschen mit Kalaschnikows verfolgt werden. Banker V. wird von der Fastenleitung ermahnt, weil er sich gleich zweimal von der netten Fräulein Olga einen Bergkräutersud-Einlauf machen lassen will. Eine gerechte Rüge, weil sich V. so ein paar Stuhlgang-Punkte erschleichen will.

   Am Tag vier wird die Stimmung langsam gereizt. Die Ersten wählen statt der Selbstgeisselung das Alternativprogramm und schauen ohne Pause drei Stunden "Das perfekte Promidinner" an. Abends muss Wernfratz-Isidor G., ein hysterischer Politiker aus dem Bayerischen, mit Stahltauen ins Bett gefesselt werden, weiler sich bei der Stuhlgang-Lese um eine Punkt beraubt sah. "Was soll der ganze Scheiss", brüllt G. immer wieder, was gegen das Schweigegebot verstösst. Auch der Gewinner des Tages, ein feister Investmentbanker, muss den Apfel wieder rausrücken, weil er ihn als mündelsichere Anlage an einen Finanzstaatssekretär verhökern wollte.

   Am nächsten Morgen entreisst ein Patient aus dem dritten Stock der Putzfrau die Handtasche und klaut ihre Leberkässemmel. Der Mann wird nach kurzer Flucht von Fräulein Olga mit einem wuchtigen Leberhaken niedergestreckt, muss zur Strafe vier Liter Wasser trinken und darf am Abend nicht mit zum Kurs "Die Möhre - Quell aller Kraft". Am sechsten Tag mehren sich die Übergriffe,. einige Insassen fliehen vom Dach der Klinik in ihren Privathelikoptern. Oberkellner Luis wird beim Servieren des geraspelten Eichenlaubs mehrfach gebissen, der Gastroenterologe von einem aufgebrachten Mittelständler mit dessen Tageslosung beworfen.

   Am siebten Tag erklärt die Klinikleitung das Fatsen für beendet. Es gibt Kesselfleisch mit Bauchspeck, Blutwurst mit Schmand im Reisrand, Kernseife, fette Schnecken, Lebertran an frischen Erdbeeren und eimerweise frisches Starkbier. Am Ausgang reservieren die Patienten für 2010.

   Der Spitzenkandidat einer Volkspartei, der am zweiten Tag plötzlich verschwunden ist, wird nach der Schneeschmelze erfroren im Park aufgefunden - er hatte versucht, sich mit einem Kaffeelöffel unter der Mauer durchzugraben. In der Tasche seiner Rupfen-Kutte fanden sich Spuren von gefrorenen Selleriesud und ein funktionsfähiges Handy.
 

 

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