Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (04. Januar 2009)
 

   Der Auftrag war, diese Kolumne im Sinne des diesjährigen Thema dem Mauerfall zu widmen. Unsere Redaktion "Katastrophen und Südfrüchte" hat sich deshalb auf Recherchetour begeben, um herauszufinden, wo in der vergangenen Woche Mauern eingestürzt sind - leider nicht sehr erfolgreich. Verbürgt ist der Einsturz einer 200 Jahren alten Stützmauer in einem Weinberg oberhalb von Bernkastel-Kues aufgrund von Unterspülung und Marderfrass. In Heiligenhafen an der Ostsee brach ein Buckelwal in Suizidabsicht ein Stück aus einem Damm. Das war es dann aber auch schon.

   Näherungsweise können wir allerdings noch von kriminellen Mauerseglern berichten, die auf dem Weg in ihr südafrikanisches Winterquartier im Bayerischen gefälschte Karten für ein bereits ausverkauftes AC/DC-Konzert auf dem Hockenheimring angeboten haben sollen. Sonst war nicht viel los im Land, weil auch die Mauern wegend er mauen Konjunktur derzeit im Zwangsurlaub sind. Wir haben uns deshalb auf die Suche nach den Resten des Antifaschistischen Schutzwalls gemacht (siehe Bild) und sind dabei auf einen kleinen Familienbetrieb im Erzgebirge gestossen, der mit einer russischen Schreddermaschine Typ Katinka aus dem Jahr 1952 die Reste der Mauer zerkleinert.



   Die Geschäfte, klagt Inhaber Nico Spanplatte, gehen zusehends schlechter. Die ersten Schreddersteine hätte man als "Mauerspitzen" in 100-Gramm-Säckchen zu 20 Mark an Wessis und Amis verkauft. In der Blüte 1992 beschäftigte das Unternehmen 24 Mitarbeiter und unterhielt eigene Läden am Gendarmenmarkt in Berlin, in Kitzbühel und Singapur. "Das Geschäft brummte derart, dass wir auf 50-Gramm-Beutel zum gleichen Preis zurückgingen", erinnert sich Prokurist Raik Flanschzange.

   Heute arbeiten nur noch vier Ein-Euro-Jobber aus Hamburg-Blankenese an der guten alten Katinka. Die Reste werden längst in Zehn-Kilo-Säcken zu 4,99 Euro offeriert, zu Weihnachten gab es eine praktische Geschenkbox mit Fünf-Kilo-Streusalz im Hammer-und-Sichel-Jutesack obendrauf.

   Zum 20-Jahr-Jubiläum im Herbst plant die Firma eine Spezialedition in dekorativer Stacheldrahtverwahrung. Was dann noch übrig ist, soll in einer "Buy on, get two"-Aktion bei Aldi verhökert werden. Nebenbei werden schon lange grössere Mauerbrocken, die die alte Katinka nicht mehr packt, als Füllmaterial für Unterwasserfundamente nach Dubai verkauft. "So entstehen auf Resten der DDR Trauminseln für Reisende aus aller Welt", schwärmt Marketingchef Maik-Ricco Raufutter, der damit rechnet, dass die Firma bis Ende 2010 Mauersteine schreddern kann. Dann, so Raufutter, plane man die Geschichte des Mauerschreddern zu verfilmen mit Mario Adorf in der Rolle von Nico Spanplatte.
 

 

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