Der Auftrag war, diese Kolumne
im Sinne des diesjährigen Thema dem Mauerfall zu widmen. Unsere
Redaktion "Katastrophen und Südfrüchte" hat sich deshalb
auf Recherchetour begeben, um herauszufinden, wo in der vergangenen
Woche Mauern eingestürzt sind - leider nicht sehr erfolgreich.
Verbürgt ist der Einsturz einer 200 Jahren alten Stützmauer
in einem Weinberg oberhalb von Bernkastel-Kues aufgrund
von Unterspülung und Marderfrass. In Heiligenhafen an der Ostsee
brach ein Buckelwal in Suizidabsicht ein Stück aus einem Damm.
Das war es dann aber auch schon.
Näherungsweise
können wir allerdings noch von kriminellen Mauerseglern berichten,
die auf dem Weg in ihr südafrikanisches Winterquartier im Bayerischen
gefälschte Karten für ein bereits ausverkauftes AC/DC-Konzert
auf dem Hockenheimring angeboten haben sollen. Sonst war nicht
viel los im Land, weil auch die Mauern wegend er mauen Konjunktur
derzeit im Zwangsurlaub sind. Wir haben uns deshalb auf die
Suche nach den Resten des Antifaschistischen Schutzwalls gemacht
(siehe Bild) und sind dabei auf einen kleinen Familienbetrieb
im Erzgebirge gestossen, der mit einer russischen Schreddermaschine
Typ Katinka aus dem Jahr 1952 die Reste der Mauer zerkleinert.

Die
Geschäfte, klagt Inhaber Nico Spanplatte, gehen zusehends schlechter.
Die ersten Schreddersteine hätte man als "Mauerspitzen"
in 100-Gramm-Säckchen zu 20 Mark an Wessis und Amis verkauft.
In der Blüte 1992 beschäftigte das Unternehmen 24 Mitarbeiter
und unterhielt eigene Läden am Gendarmenmarkt in Berlin, in
Kitzbühel und Singapur. "Das Geschäft brummte derart, dass
wir auf 50-Gramm-Beutel zum gleichen Preis zurückgingen",
erinnert sich Prokurist Raik Flanschzange.
Heute
arbeiten nur noch vier Ein-Euro-Jobber aus Hamburg-Blankenese
an der guten alten Katinka. Die Reste werden längst in Zehn-Kilo-Säcken
zu 4,99 Euro offeriert, zu Weihnachten gab es eine praktische
Geschenkbox mit Fünf-Kilo-Streusalz im Hammer-und-Sichel-Jutesack
obendrauf.
Zum 20-Jahr-Jubiläum im
Herbst plant die Firma eine Spezialedition in dekorativer Stacheldrahtverwahrung.
Was dann noch übrig ist, soll in einer "Buy on, get two"-Aktion
bei Aldi verhökert werden. Nebenbei werden schon lange grössere
Mauerbrocken, die die alte Katinka nicht mehr packt, als Füllmaterial
für Unterwasserfundamente nach Dubai verkauft. "So entstehen
auf Resten der DDR Trauminseln für Reisende aus aller Welt",
schwärmt Marketingchef Maik-Ricco Raufutter, der damit
rechnet, dass die Firma bis Ende 2010 Mauersteine schreddern
kann. Dann, so Raufutter, plane man die Geschichte des Mauerschreddern
zu verfilmen mit Mario Adorf in der Rolle von Nico Spanplatte. |