Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (21. Dezember 2008)
 

   Endlich. Der Aufschwung ist wieder da! Es geht aufwärts - für alle ausgewiesenen Konjunkturspezialisten, Wirtschaftsexperten, Börsengladiatoren und Hofastrologen der einschlägigen Wirtschaftsinstitute. Je oller die Prognosen, desto doller.

   Ein gigantisches Zelt unweit des Reichstags, Anfang der Woche. Dezemberwind fegt durch die verängstigte Republik, doch drinnen, unter den Planen, ist es kuschelig warm. Es riecht nach Zigarren und Chanels Égoiste. Auf den Rängen haben sich schon prominente Banker und Bosse mit krossen Krisenkipferln und kalorienhaltigen Konjunkturfresspaketen versorgt. Sie rülpsen und tuscheln unentwegt unter ihren kleinen Rettungsschirmchen, schubsen dabei verschreckte Hinterbänkler der grossen Koalition herum. Irgendwo sitzt auch die Kanzlerin.

   Gaukler und Finanzgurus jonglieren schon seit dem frühen Morgen mit allerlei miesen Porzentzahlen und blutjungen Börsenanalystinnenvon CNN, n-tv und 9Live. Immer tiefer, immer weiter fliegen sie, sie kreischen, dass es eine Wonne ist. Derweil zersägt ein keynesianischer Magier mit freigebigen Pranken und hypnotischem Blick den völlig entblössten Hans-Werner Sinn in zwei Teile und erkennt in seinen Innereien wider Erwarten etwas Tiefrotes, etwas glibberig Menschelndes - und stellt die Konjunkturschrumpfprognose für diesen Tag: "Minus 2,2 Prozent!" Trampeln auf den Rängen.

   Im Käfig nebenan buhlt der dynamische Wirtschaftsweise Peter Bofinger um Aufmerksamkeit. Er steckt seinen antizyklisch wackelnden Kopf in den weit aufgerissenen, triefenden Rachen einer Deflationsbestie. Tolle Nummer! Was er dort allerdings genau gesehen hat, werden wir nie erfahren, denn gerade als man ihn noch Unverständliches hecheln hörte wie "... axiomatische Fundierung der Mittelwert-Varianz-Anal..." schnappte die Liquiditätsfalle zu. Das Schmatzen wird von Mikrofonen verstärkt, das Publikum will Zugaben, doch für einige FDP-Abgeordnete ist das zu heftig. Sie halten sich "Handelsblatt"-Ausgaben vor die Augen.



   Noch mehr Zuspruch erntet Bofingers attraktive Kollegin di Mauro (siehe Bild), die hartbesaitete Anne-Sophie Mutter unserer Fiskalpolitik: Um die Dauer der Rezession in Deutschland zu prophezeien, bittet sie einen grienenden Landesbankchef mit Lorbeerkranz im Haar, er möge ihr einen löchrigen Kniesparstrumpf in die Manege werfen. Den stülpt sie sich über ihren Rechnerkopf, inhaliert tief ein, schnüffelt und stöhnt: "Aahh, Rezession bis mindestens 2010."

   Die gramgebeugte Kanzlerin hat genug. Sie wankt ins Büro, wo riesige Schleifen auf sie warten und das nächste Paket für die Konjunktur. Die Prognosen sind eindeutig. Fundiert. Wie immer. Die Auguren sind ihr Geld wert. Was wären wir und die Kanzlerin nur ohne sie?
 

 

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